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[Archiv] Dallas Buyers Club – Das Recht auf Leben

Ursprünglich gepostet am: 14. Januar 2014 auf filmosophie.com

Dallas, 1985. Alkohol, Sex und Koks sind fester Bestandteil des fast schon rauschhaften Lebens von Ron Woodroof (Matthew McConaughey). Als er in Folge eines Unfalls im Krankenhaus landet und dort erfährt, dass er AIDS hat, bricht für ihn eine Welt zusammen, da er die Krankheit bis dato für eine Sache hielt, die nur die von ihm verachteten Homosexuellen bekommen würden. Als ihm das von seiner Ärztin (Jennifer Garner) verschriebene Präparat AZT mehr schadet als nutzt und er scheinbar nur als Versuchskaninchen für die Erforschung der Wirkung des Medikaments missbraucht wird, entschließt sich Ron nach Alternativen zu suchen. So verschlägt es ihn nach Mexiko, wo er eine Reihe von Medikamenten aus dem Ausland findet, die von der FDA (Food and Drug Administration) in den USA nicht zugelassen sind, doch erfolgsversprechender sind als AZT.
Er beginnt damit, die Medikamente zum Eigenbedarf zu schmuggeln, doch bald entwickelt sich die Sache zu einem lukrativen Geschäft. So macht er mit dem homosexuellen Rayon (Jared Leto) einen Deal und gründet den „Dallas Buyers Club“, durch dessen kostenpflichtige Mitgliedschaft man unbegrenzten Zugang zu den wirklich helfenden Medikamenten bekommt. Das Geschäft läuft gut und der Club wird schnell bekannt, doch damit geraten Ron und seine Mitstreiter auch bald in das Fadenkreuz der FDA, die von den Pharmakonzernen gesteuert wird und den vermeintlich illegalen Handel von Ron und seinen Mitstreitern zu unterbinden versucht.

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, dass Philadelphia von Jonathan Demme der erste Film war, den ich zum Thema AIDS gesehen habe. Und ich erinnere mich auch noch genau daran, dass das Thema mich lange Zeit danach noch beschäftigt hatte. Während Demmes Film 1992 nicht nur der erste Hollywoodfilm war, der sich mit dem Thema befasste und somit nicht nur filmisch sondern auch aus gesellschaftlicher und „historischer“ Sicht die frühe Auseinandersetzung mit dem Thema AIDS markierte, ist Dallas Buyers Club von Jean-Marc Vallée einen Schritt weiter. Auch wenn der Film Mitte der 1980er spielt und somit zu Beginn des Ausbruchs der Krankheit. Philadelphia sensibilisierte nicht nur für dieses Thema, sondern warb auch für Toleranz und Gerechtigkeit. Selbst wenn die Alltagsdiskriminierungen von AIDS-Kranken und die Missverständnisse zum Thema AIDS heute auch nicht vollends beseitigt sind, so lässt sich wohl sagen, dass es in der Gesellschaft angekommen ist und offen oder zumindest offener diskutiert wird. Dahingehend scheint es wiederum verwunderlich, dass die Zahl der Film zu diesem Thema noch relativ überschaubar ist.
Weil der Film von Vallée aber einen Schritt weiter geht, ist AIDS oder genauer gesagt die Erkrankung nicht unbedingt das zentrale und vorrangige Thema des Films. Es ist vielmehr die Geschichte eines Kampfes gegen ein scheinbar übermächtiges System. Gegen das System der FDA, die sich vom Druck der Pharmaindustrie leiten lässt, um deren Produkte zu puschen statt den Menschen zu helfen, die auf die Hilfe und die funktionierenden Medikamenten angewiesen sind. Würde man die tragische Komponente des möglichen Todes des Hauptdarstellers wegnehmen, so würde der Film stellenweise sogar an Erin Brockovich erinnern. Der Film verzichtet dabei aber auch auf Pathos und einen selbstlosen Helden, der sich alleine gegen ein übermächtiges System stellt. Er schafft es sogar, eine ungewöhnliche Balance zwischen Humor und Tragik zu halten: auf der einen Seite muss man stellenweise wirklich darüber lachen, wie Ron es schlitzohrhaft schafft, die Regel zu umgehen und dabei die Behörden an der Nase herum zu führen. Auf der anderen Seite verliert der Film aber nie die Tragik des Themas aus dem Auge. Wie schon erwähnt, die Erkrankung mit AIDS ist nicht unbedingt das zentrale Thema des Films und doch schafft er es, diesen Punkt auf sehr subtile Art und Weise zu vermitteln. Fast schon beiläufig dokumentiert der Film den Verlauf der Krankheit nicht nur bei Ron, sondern auch bei Rayon und nur durch genaues Hinsehen bemerkt der Zuschauer die körperliche Veränderung und den schleichenden Verlauf der Krankheit bei den Betroffenen.

Die wirkliche Stärke des Films ist aber die schauspielerische Leistung von Matthew McConaughey, der sich mit einer erschreckenden körperlichen Hingabe der Rolle des AIDS-Kranken widmet und die fast schon an die Radikalität von Christian Bale in The Machinist erinnert und zu Recht mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Das wirklich Gute an der Darstellung von McConaughey ist jedoch auch, dass er nicht von 0 auf 100 zum Gutmenschen wird. Im Grunde genommen ist Ron eine zwiespältige Persönlichkeit, deren eigentliches Ziel das eigene Überleben ist. Die Tatsache, dass er mit seinen Machenschaften anderen Menschen hilft, ist ein wünschenswerter und positiver Nebeneffekt. Es braucht fast bis zum Ende des Films, bis er wirklich selbstlos handelt und nicht mehr der finanzielle und persönliche Aspekt dominiert und zu dem Mann wird, der ein Vermächtnis und ein Zeichen hinterlassen will.

Kinostart: 06. Februar 2014