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[Archiv] Kill your darlings – Sterben um zu leben

Ursprünglich gepostet am: 21. Mai 2014 auf filmosophie.com

New York, 1944: In Europa tobt noch der Zweite Weltkrieg, als der junge Allen Ginsberg (Daniel Radcliffe) sein Studium an der renommierten Columbia Universität beginnt. Bald lernt er den lässigen und doch verwegenen Lucien Carr (Dane DeHaan) kennen, der ihn in eine Welt jenseits aller gesellschaftlichen Konventionen einführt. Beiden wird schnell klar, dass dies der Beginn einer neuen Epoche ist. Gemeinsam mit Jack Kerouac (Jack Huston) und William S. Burroughs (Ben Foster) lehnen sie sich jeglicher Kritik zum Trotz gegen die althergebrachten Literatur- und Gesellschaftstraditionen auf, um selbst etwas völlig Neues zu schaffen: die Beat Generation ist geboren. Doch ihre neue Welt, voll von kreativen Exzessen und unkonventioneller Lebensweise bringt sie auch in einen Strudel aus Obsession und Sucht nach Leben, der letztendlich kein gutes Ende nehmen wird.

Ich hatte jüngst mit einer Freundin eine Diskussion darüber, was mich gerade ein bisschen stört an unserer Gesellschaft: Wir haben es uns bequem gemacht und die politischen Debatten im Bundestag sind mehr Bauchpinseln als Diskussion. Ja, manchmal kommt ein bisschen der Revolutionär, der Geist einer Beat Generation auch in mir durch und ich wünsche mir, dass etwas Neues kommt. Ich war dahingehend schon immer an den Gedanken der Beat Generation interessiert und Kill your Darlings passt da gut. Das Wagen zu etwas Neuem.

Was auf dem DVD-Cover steht, stimmt. Kill your Darlings ist der Club der Toten Dichter einer neuen Generation, denn der Film von John Krokidas geht definitiv weiter – und das ist gut. Während sich Club der Toten Dichter von Peter Weir hauptsächlich mit der Lossagung der jungen Studenten aus dem goldenen Käfig beschäftigt, beleuchtet Krokidas Film eine Generation von lebenshungrigen jungen Menschen, die auf der Suche nach dem sind, was sie am besten beschreibt und darstellt. Beide Filme sehen sich mit den Regeln ihrer Gesellschaft und Umgebung konfrontiert, doch während den Studenten aus Weirs Film noch eine positive Zukunft vorhergesagt wird, ahnt man als Zuschauer bei Kill your Darlings immer mehr, dass die Mitglieder dieses neuen Clubs in einer tragischen Situation sind, aus der es eigentlich keinen Ausweg gibt. Das Zusammenspiel zwischen verloren sein und zugleich gerettet werden zu wollen ist Teil ihres Lebens. Eine innere Zerissenheit. Beispielhaft hierfür ist die mit Bravour dargestellte Beziehung zwischen Ginsberg und Carr, die nicht nur auf intellektueller sondern auch auf sexueller Basis das zentrale Element dieser Strömung und auch dieses Films ausmacht. Nur zu gut stellen Radcliffe und DeHaan diese fatale Beziehung dar. Der Zuschauer bemerkt die Anziehung zwischen den beiden und den schlechten Stern, unter den diese von Anfang an zu stehen scheint – und letzteres nicht primär weil Einflüsse von außen kommen, sondern weil sie mit ihrer Abhängigkeit diesen schlechten Stern erst erschaffen haben. Zugleich verzichtet der Film über die Maßen auf die Darstellung des Gefühls der Extase oder gar des Rausches, in dem sich die Beat Generation die ganze Zeit befindet. Es ist immer nur so viel, um am Ende noch die Tragik dieser Konstellation und somit das zentrale Element des Films betonen zu können. Es ist tragisch, weil diese Generation nach einer Sache sucht, die eigentlich nicht zu erreichen ist.

Die Stärke des Films ist daher, dass er nicht versucht etwas darzustellen, was eigentlicht nicht darzustellen ist bzw. die Sehnsucht, die die Beat Generation in so vielen Formen ausmacht, kann eigentlich nicht auf einen Nenner gebracht werden. So zeigt Kill your Darlings auch nicht den Einfluss auf die Gesellschaft, sondern immer wieder den Akt der Zerissenheit und die Rastlosigkeit der Mitglieder dieser Generation. Es geht daher nicht um die künstlerischen Erzeugnisse der Generation um Ginsberg, sondern vielmehr um ihre Hintergründe und die Menschen dahinter sowie deren Beziehungen zueinander. Menschen, die nicht ohne andere Menschen können und zugleich auch nicht mit ihnen können. Und am Ende wird klar, dass so sehr diese Dämonen bekämpft werden, desto stärker kommen sie zurück. In anderen Worten: Wir müssen lernen, damit zu leben. Mehr sogar, vielleicht ist die beste Möglichkeit diese innere Zerissenheit in den Griff zu bekommen, sie in etwas Kreatives umzuwandeln.

Um zum Schluss vielleicht noch einen Bogen zum Beginn meines Textes zu spannen: Vielleicht gibt es auch nicht immer eine Lösung, eine Revolution, sondern vielmehr ist die Lösung die, dass wir uns mit unseren Problemen und unseren Dämonen auseinandersetzen, mit ihnen leben und sie auf neue, kreative Weise zu Tage fördern und so den ewigen Kreis des sich immer wiederholenden Lebens brechen.

DVD- und BluRay-Start: 22. Mai 2014