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[Archiv] König von Deutschland – Durchschnitt ist ein bisschen Trumpf

Ursprünglich gepostet am: 27. Februar 2014 auf filmosophie.com

Wie traurig wäre unsere Welt, wenn wir alle Durchschnitt und vorhersehbar wären? Das vermeintlich „königliche“ Leben von Thomas Müller (Olli Dittrich) ist eigentlich mehr als durchschnittlich, mittelmäßig und irgendwie auch vorhersehbar. Thomas führt eine durchschnittliche Ehe mit Sabine (Veronica Ferres), hat durchschnittliche Verständnisprobleme mit seinem pubertierenden Sohn Alexander (Jonas Nay) und einen mittelmäßigen Job in dem er eine mittelmäßige Arbeit macht.

Eines Tages verliert Thomas durch einen blöden Zufall eben diesen Job und sein Leben ändert sich schlagartig. Als er fast schon dabei ist, seinem Leben ein Ende zu setzen, begegnet er dem charismatischen Stefan Schmidt (Wanja Mues), der ihm kurzerhand eine neue Stelle bei der unbekannten Firma Industries Unlimited anbietet. Überraschenderweise sind auf einmal seine durchschnittliche Meinung und sein durchschnittliches Leben zu allem und zu jeder Sache gefragt. Über Nacht wird Thomas zum Meinungsmacher und Trendsetter der ganzen Nation. Als Thomas aber misstrauisch wird und herausfindet, was mit ihm gemacht und zu was er missbraucht wird, versucht er aus seiner Durchschnittlichkeit zu entfliehen und muss über sich hinauswachsen.

Es gibt Filme, die man als geübter Zuschauer und vielleicht schon gar nicht als Filmkritiker anschauen kann, ohne dabei unweigerlich an einen anderen Film denken zu müssen. So ist es auch bei König von Deutschland von David Dietl der Fall, denn da drängt sich fast schon mit Nachdruck der Vergleich mit Die Truman Show von Peter Weir auf. Die Parallelen zwischen beiden Filmen sind mehr als eindeutig, wie zum Beispiel die Figuren Stefan Schmidt und Wallenstein (Hanns Zischler), die zusammen genommen wie eine Kopie des von Ed Harris interpretierten Schöpfers der Truman Show Christof erscheinen – und das nicht nur wegen der medialen Präsenz von Wallenstein durch einen überdimensionierten Bildschirm.

Traurig ist, dass die irrwitzige Idee, durch lebendige Meinungsforschung an Otto Normalverbraucher Thomas Müller nicht nur die Warenwelt zu bestimmen sondern dabei auch gleichzeitig die Geschicke einer ganzen Nation lenken zu können, im Grunde genommen einfach und zugleich genial ist. Bei genauerem Überlegen und mit Blick auf unsere Konsumwelt ist sie auch nicht so abwegig und hat durchaus „orwellsches Potential“. Es wäre aber dem Film gegenüber unfair zu sagen, es würde sich dabei nur um eine Kopie von Weirs Film handeln. Zugegeben, der Streifen braucht fast die ganze erste Hälfte, um überhaupt in Fahrt zu kommen. Gerade in diesen zwar amüsanten, aber doch irgendwie gemächlichen 45 Minuten drängen sich die Vergleiche zur Truman Show geradezu auf und man tendiert stellenweise schon dazu abzuschalten. Dahingehend erscheint die TV-Show, die in Dietls Film aus dramaturgischer Sicht ebenfalls eine zentrale Rolle einnimmt, im Gegensatz zum Rest des Films seltsam lieblos gestaltet und vermittelt den Anschein als wäre sie in einer Garage aufgenommen worden. Erst gegen Mitte des Films nimmt die Geschichte eine bitterböse Wendung, die sehr interessant ist und fast ein bisschen an die dystopischen Visionen von Brazil und ähnlichen Werken erinnert. Doch auch hier fehlt Dietls Film schlussendlich leider der Mut zu den eigenen Ideen zu stehen und zu schnell fällt er in alte, kopierende Muster. Auch die sehr schöne Botschaft des Films und das Plädoyer für Mut zur Individualität und den eigenen Träumen kommen dadurch leider zu kurz.

Ein Genuss hingegen ist die Rolle von Olli Dittrich. Mit Witz und Humor zeichnet Dittsche-Darsteller Dittrich den Durschnitts-Deutschen Thomas Müller, der in seiner Durchschnittlichkeit auf paradoxe Art und Weise zufrieden ist mit dem was er hat und mit dem was er ist. Gerade wegen der gelungenen Interpretation von Dittrich fühlt man sich als Zuschauer tief betroffen und bemitleidet Müller sogar, als dieser merkt, dass er eigentlich nur für die Marktforschung missbraucht wird. Viel trauriger und gut gespielt ist aber der Moment, in dem der arme Tropf sich seiner Durchschnittlichkeit bewusst wird und dabei merkt, wie vorhersehbar, spannungsfrei und auch ein wenig traurig er und sein Leben doch eigentlich sind und es Zeit ist, etwas daran zu ändern. Zwar sind ab dieser Erkenntnis die Wandlung der Hauptfigur und das ein bisschen zu romantisch geratene Ende irgendwie vorhersehbar, jedoch ist es amüsant zu sehen wie sich Müller aus diesem Teufelskreis befreit.

DVD-Verkaufsstart: 7. März 2014