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[Archiv] Le Weekend – Und dann kam das Leben

Ursprünglich gepostet am: 17. Januar 2014 auf filmosophie.com

Das englische Ehepaar Nick (Jim Broadbent) und Meg (Lindsay Duncan) sind beide Ende 50. Anlässlich ihres 30. Hochzeitstages reisen die beiden nach Paris, um dort wieder an ihre Flitterwochen anzuknüpfen und wieder neuen Schwung in ihre Ehe zu bringen. Die Erwartungen an das Wochenende in der Stadt der Liebe sind hoch, aber schon der Anfang scheint wenig ermutigend. Denn statt über ihre Gemeinsamkeiten, ihre gegenseitige Anziehungskraft und eben ihre Liebe füreinander zu sprechen, reden sie die ganze Zeit nur über ihre Schwierigkeiten, zusammen zu bleiben und die Probleme mit den eigenen Kindern.
Als die beiden auf ihrer Erkundung durch Paris Nicks altem Freund Morgan (Jeff Goldblum) über den Weg laufen, beginnt das Wochenende eine andere Richtung einzuschlagen. Der erfolgreiche Morgan ist eigentlich das komplette Gegenteil des von britischem Understatement geprägten Nick und so merkt Meg schnell, was ihr in der Ehe mit Nick eigentlich gerade fehlt.

Nach der Pressevorführung habe ich länger darüber nachgedacht, warum mich der Film nicht so recht überzeugen konnte. Bin ich vielleicht nicht die richtige Zielgruppe für diesen Film? Kann der Film vielleicht nur der Generation 50plus gefallen, die sich dem englischen Paar in den besten Jahren näher fühlen? Offen gesagt kann ich die Frage nicht vollends beantworten. Da ich ein Verfechter von Originalsprache in Filmen bin, bin ich vielleicht auch mit anderen Augen oder besser gesagt anderen Ohren an die Sache heran gegangen. Die Tatsache, dass im deutschen die stellenweise gewollt anzüglich-provokativen Dialoge zwischen Nick und Meg nur halb so charmant rüberkommen wie sie es im englischen gewesen wären, war wohl auch ein Grund dafür, dass ich enttäuscht aus dem Kino kam. Es stimmt, leider fehlt dem Film von Notting Hill Regisseur Roger Michell die Dialogspritzigkeit und auch die Portion britischen Charme, die eben Notting Hill hatte und die beim Vorgängerfilm Hyde Park on Hudson ebenfalls zu wenig war.

Ich bin in diesem Zusammenhang zufällig auf die Kritik der Kollegen von kino-zeit gestoßen. Doch der dort angestellte Vergleich zu einem potentiellen Schlusspunkt der Filmreihe von Richard Linklater mit Ethan Hawke und Julie Delpy in den Hauptrollen scheint mir zwar stimmig, aber nicht richtig. Es stimmt, bei genauerem hinhören sind die Dialoge auch bei Hawke und Delpy im Kern trivial oder besser gesagt alltäglich. Es sind Dialoge und Streitereien, die in jeder anderen Beziehung vorkommen könnten. Genauso ist es auch der Fall bei Le Weekend. Die Stärke bei Linklaters Filmen ist aber, dass die beiden Hauptdarsteller diesen Dialogen eine fantastische Spritzigkeit und schauspielerische Harmonie verleihen, so dass man vergisst, dass es im Kern eigentlich ein ganz unspektakulärer Dauerdialog zwischen einem Paar ist. Genau diese Spritzigkeit – nehmen wir mal das erwähnte Problem der Sprache weg – fehlt bei Le Weekend.

Auch die Anspielungen auf die Nouvelle Vague, wie z.B. die wiederkehrenden und fast schon sehnsüchtigen Verweise von Film und Figuren auf Bande à part von Jean-Luc Godard, erreichen nicht ihr Ziel. Während in den Nouvelle Vague Filmen der Anarchismus – und gerade bei Bande à part eben auch die Trivialität – sich nicht nur in der filmischen Umsetzung sondern auch in den Dialogkonstruktionen wiederfindet und den Filmen einen frischen Wind verleiht, verfangen sich die Dialoge der Hauptdarsteller Nick und Meg und scheinen sich um sich selbst zu drehen. Mehr sogar, Film und Hauptfiguren scheinen nicht dramaturgisch sondern auch filmisch nach eben dieser Leichtigkeit der Nouvelle Vague zu suchen. Während Nick und Meg am Ende so etwas gefunden zu haben scheinen, verirrt sich der Film auf dem Weg dorthin. Diesem Anarchismus am nächsten scheint die Rolle von Jeff Goldblum zu sein, dessen Dialoge vor ironisch-provokativer Trivialität nur so sprühen. Es scheint stellenweise so, als ob der Film den britischen Charme mit dem Esprit der Nouvelle Vague zu verbinden versucht und etwas zusammenbringen will, das so gar nicht zusammen passt.
Deswegen scheint auch das Ende des Films, als Nick und Meg an ihrer wider Willen erlangten Freiheit Freude finden und in einem Pariser Café die Tanzszene von Bande à part nachtanzen zwar nett, aber seltsam leer, zahm und auch ein bisschen alt – und daran ändert auch der Hut von Meg nichts, der an Anna Karina erinnert.

Kinostart: 30. Januar 2014