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[Archiv] Spectre – Der herrliche Anachronismus des Sam Mendes

Ursprünglich gepostet am: 26. Oktober 2015 auf filmosophie.com

Eine mysteriöse Nachricht aus der Vergangenheit schickt James Bond (Daniel Craig) ohne Befugnis auf eine Mission nach Mexico City und schließlich nach Rom, wo er Lucia Sciarra (Monica Bellucci) trifft. Sie ist die schöne und unantastbare Witwe eines berühmt-berüchtigten Kriminellen. Bond unterwandert ein geheimes Treffen und deckt die Existenz der zwielichtigen Organisation auf, die man unter dem Namen SPECTRE kennt. Derweil stellt der neue Chef des Centre for National Security Max Denbigh (Andrew Scott) in London Bonds Tätigkeit in Frage und ebenso die Relevanz des MI6 unter der Führung von M (Ralph Fiennes). Heimlich bittet Bond Moneypenny (Naomie Harris) und Q (Ben Wishaw), ihm dabei zu helfen, Madeleine Swann (Lea Seydoux) aufzuspüren. Sie ist die Tochter seiner alten Nemesis Mr. White (Jesper Christensen) und wahrscheinlich die einzige Person, die im Besitz eines Hinweises ist, mit dem sich das undurchdringbare Netz um SPECTRE entwirren lässt. Als Tochter eines Killers ist sie außerdem dazu in der Lage, Bond wirklich zu verstehen. Etwas, das die meisten anderen Menschen nicht können. Während Bond immer tiefer in das Herz von SPECTRE vordringt, findet er heraus, dass es eine überraschende Verbindung gibt, zwischen ihm selbst und dem Feind, den er sucht, gespielt von Christoph Waltz.

Nach dem Erfolg von Skyfall habe ich mich gefragt, wie dieser zu toppen wäre. Der 24. Bond, Spectre, konnte nur schlechter sein oder zumindest anders. Schlecht ist er nicht geworden, aber definitiv anders als Skyfall und viele andere Bond-Filme.

Ich möchte an dieser Stelle auch nicht viel über den Plot verraten, doch es ist sicher, dass die Aha-Momente dieses Mal nicht ausbleiben werden. Und das weil dieser Bond in die Tiefe geht und manche Sache ans Tageslicht holt, die schon vergessen war – und das in mehrfacher Hinsicht. Wer die Bond-Historie kennt, wird im Film verstehen was ich meine. Schon dahingehend ist der Film ein herrlicher Anachronismus, denn er greift die Geschichte, die Vita der zeitlosen Figur Bond und auch in die Geschichte des von Daniel Craig verkörperten James Bond auf und stellt sie dem Jetzt, eigentlich unserem James Bond Bild gegenüber.
Und auch ein Blick auf den Plot, auf das was passiert, offenbart, dass auch hier die Anachronismen gewolltes Programm sind.

War Skyfall eine Art Hommage an 50 Jahre James Bond, wenn nicht sogar ein Reboot der Figur James Bond, so ist Spectre die Chance, den Charakter von Bond und das was ihn ausmacht, zu hinterfragen. Auch wenn das vielleicht nicht jedem gefallen wird.

Spectre ist ungewöhnlich psychologisch und verliert dabei doch nicht seinen Bond-Charme. Und doch, man merkt die Handschrift von Sam Mendes. Und so ist Spectre vielleicht am Ende sogar mehr ein „Sam Mendes Film“ als ein „Daniel Craig James Bond“. Bond ist, ganz dem Sujet des Films folgend, daher gar nicht im Zentrum. Er ist Wirklichkeit nur ein Spielball. Nicht nur des Bösewichts, der so gesehen eigentlich aus 2010er Sicht eher 1960er Jahre unspektakulär daher kommt. Sondern auch ein Spielball von Sam Mendes, der Bond dauernd hinterfragt und dauernd die Frage stellt, was macht Bond aus und vor allem, ist dieser Bond noch aktuell?

Der Film ist ein 2 ½ stündiger Anachronismus und er lebt davon. Das ist seine Stärke. Er ist auf eine paradoxe Weise unspektakulär, obwohl die Action keinesfalls zu kurz kommt. Er ist unspektakulär, weil er den Fokus nicht auf die Action, sondern sehr stark, ja ungewöhnlich stark, auf die Psychologie, auf die Figur legt – und das ist ungewöhnlich für einen Bond-Film der letzten Jahre. Und schon deswegen ist er wieder ein Ur-Bond – auch wenn der Fokus anders liegt als vor 50 Jahren.

Dieser Bond wird polarisieren, definitiv. Wer sich einen Bond wie Skyfall erhofft, wird enttäuscht sein. Manch einer könnte sagen, die klassische Bond-Figur stirbt mit diesem Film, aber vielleicht ist wirklich nur eine Frage der Perspektive. Ja, die Toten leben vielleicht doch.

Wer sich auf einen untypischen und dann doch schon irgendwie wieder typischen Bond-Film einlässt, wird merken, dass Bond auch anders kann und sollte. Spectre ist mutig, weil er dekonstruiert und sich traut neuen, frischen Wind in den MI6 zu bringen. Doch desto mehr ich mir die beiden Filme von Sam Mendes anschaue, desto mehr beschleicht mich aber auch der Verdacht, dass Mendes hier eigentlich einen Plan hat, etwas vorbereitet, von dem wir aber noch nichts wissen.

Kinostart: 5. November 2015