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[Archiv] The Gunman – Das Gewissen nach dem Schuss

Ursprünglich gepostet am: 30. April 2015 auf filmosophie.com

Jahre nach seinem letzten Einsatz holt den Ex-Söldner Jim Terrier (Sean Penn) die Vergangenheit ein. Getarnt als NGO-Mitarbeiter hatte Terrier vor Jahren im Auftrag eines Konzerns einen tödlichen Anschlag auf einen hochrangigen Minister im Kongo ausgeführt, der die Macht der ausländischen Bergbaukonzerne im Land begrenzen wollte. Doch jetzt gerät er selbst ins Visier seines ehemaligen Auftraggebers und eine tödliche Verfolgungsjagd von Afrika über London quer durch Europa bis nach Spanien beginnt.

Es gibt solche Filme, die von ihrem Aufbau her einmal gut gelingen, doch sobald man als Regisseur sich damit begnügt sein altes, eigenes Muster zu kopieren, verfällt das Resultat schnell in ungewollte und vor allem unspannende Routine. So auch leider im Fall von The Gunman von Pierre Morel.

Schnell ist das Thema des Films klar: die vermeintlich guten Männer einer privaten Sicherheitsfirma um Sean Penn, die eigentlich in den Wirren des kongolesischen Bürgerkrieges die NGOs – darunter auch Terriers Freundin Annie (Jasmine Trinca) und Nebenbuhler Felix (Javier Bardem) – vor Ort beschützen sollen, stecken eigentlich mit den Bergbaufirmen unter einer Decke, die wiederum durch ihren Kampf um Rohstoffe diesen Bürgerkrieg erst ermöglicht haben. Ein Thema, das angesichts der aktuellen Kriegswirren im Nahen Osten gar nicht so weit weg ist. Und trotz der Brisants und der Wichtigkeit des Themas, schafft es der Film von Morel nicht den Zuschauer damit zu gewinnen. Die unheilbrigenden Verbindungen sind nur der Motor für die Geschichte, denn genau wie in 96 Hours, geht es in diesem Fall um den persönlichen Feldzug des Protagonisten, der 3/4 des Films einnimmt. Hinzu kommt noch der Liebesverrat von Nebenbuhler Felix. Ja, da muss man Morel doch sagen „Gut gemacht!“, denn der Verrat von Felix gerät nicht zu Jims persönlichen Vendetta und zentralen Triebfeder, und Morel hält sich für seinen Film an den Hauptplot um den Mord an dem kongolesischen Minister.

Bis dahin eine Herangehensweise die richtig und gut ist, würde man sie von Anfang gekonnt ausspielen. Die kleinen feinen Hinweise die der Film von Beginn an streut, verlaufen leider im Sand. All die kleinen Feinheiten deuten die ganze Zeit auf etwas Großes, eine große Verschwörung hin, doch am Ende ist die Verschwörung nur klein und eigentlich unbedeutend. Es klingt paradox, aber es ist so. Schade, denn im Kern bietet die Geschichte Stoff für etwas Großes und eine Verschwörung mit Tragweite, die einem die Unfassbarkeit unserer Weltordnung vor Augen führen müsste: der Schuss eines einzigen Mannes ist Auslöser für weitere Jahre blutigen Bürgerkrieg und hinter der Fassade sind es nicht die Staaten die Krieg führen, denn er folgt nur den finanziellen Interessen der überstaatlichen Multikonzerne. Doch Morel kombiniert dieses weitreichende Thema mit der persönlichen Suche nach Antworten des muskelbepackten Sean Penn (der für jahrelange Arbeit im Kongo aus dramaturgischer Sicht ein grauenvolles Französisch spricht!), verliert den eigentlich Faden und verfährt sich dabei in hartes und schon fast wieder unästhetisches Actionkino.
Es ist durchaus aus dramaturgischer Sicht wichtig ein so im wahrsten Sinne unfassbares und weitreichendes Thema mit einer Person zu identifizieren. Am Ende deckt der Film zwar die bösen Machenschaften der machthungrigen und über Leichen gehenden privaten Sicherheitsfirma auf, doch diese wichtige Botschaft ist in den vorherigen zwei Stunden durch blutige Kampfszenen und der Suche nach Wahrheit eines wenig glaubhaft geläuterten und stellenweise mit Unlust agierenden Sean Penn in den Hintergrund gerückt.
Insgesamt schade, denn es kann durchaus gut sein auch mal solche Filme zu sehen, bei denen man als Zuschauer aus eigenem Willen sprichtwörtlich sein Gehirn an der Garderobe abgibt und sich an den tollen und gut choreographierten Actionszenen ergözt. Doch oft entscheidet sich ein Film von Beginn an für eine Seite: entweder hirnloses Actionkino oder gekonnter Verschwörungsfilm. Beides zu verbinden ist dann großes Kino. Morel hat es mit The Gunman in diesem Fall leider nicht geschafft.

Kinostart: 30. April 2015