Zum Inhalt springen
Startseite » [Archiv] The Walk – visuelle Höhenflüge

[Archiv] The Walk – visuelle Höhenflüge

Ursprünglich gepostet am: 26. September 2015 auf filmosophie.com

Basierend auf Philippe Petits Buch „To Reach the Clouds” erzählt Regisseur Robert Zemeckis die Geschichte des Hochseilartisten Petit (Joseph Gordon-Levitt), der das Unmögliche wagen will: einen illegalen Drahtseilakt in 420 Metern Höhe, ohne Sicherungsseil, zwischen den Türmen des World Trade Center. Unter der Anleitung seines Mentors Papa Rudy (Ben Kingsley) und gemeinsam mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe internationaler Helfer (u.a. Charlotte Le Bon und Steve Valentine), überwinden sie jede Menge Widerstände, Vertrauensbrüche, Meinungsverschiedenheiten und Risiken, um ihren verrückten Plan letztlich in die Tat umzusetzen.

Von Beginn an muss ich bei The Walk an zwei Filme denken.

Schon in der ersten Szene, als Philippe Petit in einem fast schon surreal phantastischem Setting auf der Fackel der Freiheitsstatue seine Geschichte erzählt, muss ich an Hugo Cabret von Martin Scorsese denken, schon allein wegen dem eigentlich realistischen Setting, das ohne eine gewisse Portion Magie aber nicht auskommt. Ja, Magie ist das richtige Stichwort. Denn Petit ist ein Magier. Nicht nur weil er als Strassenartist gearbeitet hat, sondern auch weil man Magier sein muss, um so etwas überhaupt machen zu können. Wie jeder Magier, zelebriert Petit vor jedem Drahtseilakt die Verwandlung zum Artisten. Eine Verwandlung, die auch immer etwas Magisches, Mysteriöses hat und haben muss, um in den Bann zu ziehen. Und Joseph Gordon-Levitt stellt Petit mit Bravour dar: als kleinen Egomanen, teils selbstverliebt und teils auch fanatisch, doch ohne dabei allzu arrogant zu werden und zu vergessen, dass all das nicht ohne sein Umfeld möglich wäre. Im Endeffekt alles Eigenschaften, die als Magier und Artist notwendig sind, um eine so waghalsige Aktion überhaupt machen zu können und die Menschen zu faszinieren.

Auf der anderen Seite ist es auch Ocean’s Eleven von Steven Soderbergh oder besser gesagt, das Element des Coup, das sofort präsent ist und auch durch die Swing- und Jazzmusik verstärkt wird. In der Tat, die Aktionen von Petit sind ein Coup, schon deswegen weil sie illegal sind. Gerade aber der Akt zwischen den Twin Towers ist auf der einen Seite wiederum so komplex, dass er zum einen nicht ohne eine Bande von Komplizen im Hintergrund gelingen kann und auf der anderen Seite so waghalsig und fast schon irre ist, dass er ohne ein gehörige Portion an Dreistigkeit und Chuzpe, eigentlich nicht gelingen kann.

Man könnte durchaus über die Intensität der beiden Elemente im Film diskutieren, gerade was den Humor angeht. Doch Zemeckis behält die Balance, sodass am Ende doch die Magie überwiegt und die ganze Aktion nicht zu einer Zirkusnummer verkommt. Doch es ist klar, dass die beiden Faktoren, Magie und Humor / Dreistigkeit, essentiell sind, um die Aktion von Petit treffen zu beschreiben.

Das alles gepaart mit sehenswerten und teils angsteinflössenden Bildern, machen den Film zu einem visuellen Juwel. Ich möchte aber nicht zu viel verraten. Wer sich den Film in 3D, oder sogar noch besser in IMAX 3D anschaut, und wie ich an Höhenangst leidet, sollte sich aber darauf gefasst machen, sich den Angstschweiß von Händen und Gesicht wischen zu müssen.

Neben all dieser Atmosphäre von unglaublichem Coup und Aufbruch, schwingt im Film doch auch immer leicht das Thema des Todes mit. Und das in mehrfacher Hinsicht. Zum ersten weil der Coup von Petit so waghalsig und lebensgefährlich ist, dass man unweigerlich daran denke muss. Auch Petit selber vermeidet abergläubisch das Wort Tod in den Mund zu nehmen, könnte es sich ja wie Gift in seine Gedanken setzen, sich verbreiten und Zweifel sähen – genau wie ein Theaterschauspieler, der nicht den Namen eines schottischen Stückes aussprechen will.
Es sind aber auch die Twin Towers selbst. Dieses bis dato alles überragende Bauwerk. Und so kommt es, dass wenn man Petit 420 Meter über dem Boden balancieren sieht, den Tod in die Augen blickend, auch immer an die Tragödie von 9/11 denken muss. Trotzdem oder gerade deswegen, schafft es Zemeckis aber, ohne Kitsch, nicht nur Petit sondern auch den Twin Towers (besonders in der letzten Szene) ein visuelles Denkmal zu setzen und macht sie wieder zu dem was sie waren: der Aufbruch ins Unmögliche.

Kinostart: 22. Oktober 2015