Ursprünglich gepostet am: 14. August 2014 auf filmosophie.com
Eines Tages taucht der verwahrloste und von Folter gezeichnete rätselhafte Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin), halb Russe, halb Tschetschene, auf der Suche nach dem illegal erworbenen Vermögen seines verstorbenen russischen Vaters im Hamburger Hafen auf. Als er Kontakt zur islamischen Gemeinde aufnimmt, läuten sowohl beim deutschen als auch beim US-Geheimdienst die Alarmglocken.
Nichts an diesem jungen Mann passt zusammen: Ist er Opfer, Täter, Betrüger oder ein extremistischer Fanatiker? Neben der idealistischen Anwältin Annabel Richter (Rachel McAdams), die Karpov helfen will, gerät auch der Banker Thomas Brue (Willem Dafoe), der das Vermögen von Karpovs Vater verwaltet, ins Visier von Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), Leiter einer halboffiziellen Spionageeinheit (darunter auch Nina Hoss und Daniel Brühl), die innerhalb der deutschen Nachrichtendienste ihre eigenen Kämpfe führt.
Wie meistens in diesen Fällen, haben schnell auch andere Spionageorganisationen Karpov ins Visier genommen, wie die CIA-Agentin vor Ort Martha Sullivan (Robin Wright). Während die Uhr tickt und der vermeintlich explosive Höhepunkt immer näher rückt, wird Issa Karpov zum meistgesuchten Mann der Welt …
Auch wenn ich nach der Pressevorführung etwas positiver gegenüber dem Film einstellt war als ein paar meiner Kritikerkollegen, muss ich sagen, dass ich retrospektiv betrachtet mit gemischten Gefühlen auf den Film von Regisseur Anton Corbijn blicke.
Eine willkommene Abwechslung ist zweifelsohne der Ortswechsel nach Hamburg und damit weg von den fast schon mehr als klischeehaften Spionage-Spielplätzen wie Washington, Moskau oder Berlin. In Anbetracht der Bedeutung Hamburgs bei den Anschlägen von 9/11 und den damit verbundenen weltpolitischen Folgen, eine auch nachvollziehbare Entscheidung von John le Carré und damit auch des Films. Der Film von Corbijn leidet aber nicht an der Umgebung, sondern vielmehr an seinem dramaturgischen Setting und Aufbau – und wenn man es genau betrachtet, kann er dafür stellenweise auch leider nichts.
Während des Films wird schnell klar, dass die verschiedenen Geheimdienste sich auf der Jagd nach Karpov gegenseitig ins Gehege kommen und sich dabei wieder die unterschiedlichsten Interessen begegnen werden. Das ist per se nicht unbedingt unspannend, doch seit die Hintergründe von 9/11 klar sind, ist das auch nichts Neues. Und spätestens seit Edward Snowden und den anderen Whistleblower sind auch die Methoden und die internen Probleme und Verstrickung der CIA und Co. keine Schock mehr für uns. Wir sind überflutet mit Neuigkeiten zu diesen Vorgehensweisen, sodass wir wohl eher eine Augenbraue hochreißen als dass uns dieses Thema vom Hocker reißt.
Trotzdem oder gerade deswegen schafft es der Film aber nicht dieses, sagen wir mal, „ausgelutschte“ Thema mit Spannung zu versehen und den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Es scheint so, als ob die vermeintlich und auch abstrakte Terrorgefahr, die Anlass für die Handlung ist, während des Films immer mehr und mehr verpufft. So rangiert Corbijns Film bei Weitem nicht auf dem gleichen Spannungsniveau wie z.B. die andere John le Carré Verfilmung Tinker Tailor Soldier Spy von Tomas Alfredson, die 2011 in die Kinos kam und dessen Plot wie eine Art tickende Zeitbombe den Zuschauer fesselte.
Doch trotz aller Kritik, der Film hat auch seine interessanten Seiten. Die von Philip Seymour Hoffman dargestellte Figur des Günther Bachmann ist eine der stärksten davon – und das nicht, weil der Film einer der letzten Rollen des vor nicht allzu langer Zeit verstorbenen Schauspielers ist.
Die von Hoffman dargestellte dauernd rauchende, aus Frust trinkende, abgekämpfte Figur, die sich in irgendwelchen verrauchten Kiezkneipen auf St. Pauli herumtreibt, greift zwar indirekt die Eigenschaften eines Agententhrillers auf, ist aber bei Weitem nicht eine dieser Klischee-Agentenfiguren.
Sie ist vielmehr ein Produkt des Settings, an der der Film eigentlich krankt. Die Situation in der sich Bachmann und seine Mitarbeiter befinden, ist eine Situation in der sich die Organisationen mehr gegenseitig bespitzeln und Misstrauen entgegen bringen, statt sich dem gemeinsamen Ziel der Terrorbekämpfung zu widmen. So ist Bachmann die eigentliche Botschaft des Films und somit eigentlich eine, wenn auch zaghafte, Offenlegung der Streitigkeiten und Paranoia gegenüber allem und jedem innerhalb des Spionageapparats. Doch einen Spannungsbogen, wie in diesem Fall die abtrakte Terrorgefahr, ist immer noch notwendig.
Eine Darstellung der Streitigkeiten und Paranoia der Geheimdienste ist schön und gut, doch leider brauch es dazu mehr als nur eines genialen Schauspielers wie Philip Seymour Hoffman und eines internationalen Casts. Ein Film gehört auch noch dazu.
Kinostart: 11. September 2014