Ursprünglich gepostet am: 15. Oktober 2016 auf filmosophie.com
Das Leben des weltberühmten Neurochirurgen Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ändert sich unwiederbringlich, als er nach einem schweren Autounfall seine Hände nicht mehr benutzen kann. Da die klassische Medizin ihm nicht helfen kann, sucht er Heilung an einem ungewöhnlichen Ort – dem geheimnisvollen Kamar-Taj. Schnell merkt er, dass es sich dabei nicht nur um ein Heilungszentrum handelt, sondern von hier der Kampf gegen unsichtbare dunkle Mächte gefochten wird, die unsere Realität zerstören möchten. Ausgestattet mit neuerworbenen magischen Fähigkeiten, muss Dr. Strange sich entscheiden: Kehrt er in sein altes Leben als angesehener reicher Arzt zurück, oder gibt er dieses auf, um als mächtigster Magier aller Zeiten die Welt zu retten.
Man könnte meinen, dass die Flut an Marvel und DC Verfilmungen der letzten Zeit den Zuschauer übersättig haben und er keine weiteren Superhelden sehen kann. Gut, dass dem nicht so ist, denn sonst würde uns dieser wirklich sehenswerte Film mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle verloren gehen.
Aber was ist an diesem Film so besonders? Im Grund genommen erzählt der Film um den arroganten und überheblichen Dr. Strange nicht viel Neues. Aber das vielmehr deswegen, weil der fernöstliche Gedanke, dass das einzelne Individuum nur ein Teil eines viel größeren kosmischen Universums ist, nicht gerade neu ist. Wobei er in unseren Gefilden oft mit einer oft auch unerträglichen New Age Welle einherging und dieser Gedanke deswegen des Öfteren als Spinnerei oder zumindest als Modeerscheinung abgetan wurde. Wobei dieser Gedanke in vielen fernöstlichen Religionen und Glaubensrichtungen durchaus eine zentrale und essentielle Rolle spielt. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder vielleicht doch nicht. Denn die Arroganz die Dr. Stephen Strange an den Tag legt, ist nicht nur symptomatisch für die westliche Arroganz gegenüber diesem fernöstlichen Gedanken, sondern auch für den zutiefst kapitalistischen Gedanken, dass der (einzelne) Mensch das Maß aller Dinge ist, wobei er effektiv nur ein Wimperschlag in der Zeit ist und die Erde am Ende nur ein Staubkorn im Meer des Universums.
Vielleicht – um einen kleine Kritik zu üben – hätte gerade diese Fallhöhe von Dr. Stephen Strange bis hin zur Leuterung ein bisschen ausführlicher sein können.
Das Gute an Scott Derricksons Film ist aber, dass dieser Kerngedanke, zwar die initiale Triebfeder des Films ist, jedoch nicht dazu führt, dass Doctor Strange am Ende zu einem spirituell verklärten Actionabenteur wird. Im Gegenteil, der Film legt einen erfrischenden Humor an den Tag, der diesen spirituellen Hintergrund zwar mit einem Augenzwinkern quittiert, aber zugleich auch immer mit Respekt behandelt. So widmet sich der Film nur im 1/3 vordergründig diesem Thema und zeigt in den restlichen 2/3 dann den klassischen Kampf zwischen Gut und Böse. Wobei auch hier das Böse, hier u.a. vertreten durch Mads Mikkelsen, nicht von Beginn an böse ist, sondern erst durch die – ja – dunkle Seite der Macht verführt wurde. Doch das macht Doctor Strange auch anders als die üblichen Marvel Verfilmungen, denn die Gegensätze die hier gegeneinander antreten, scheinen viel größer und auch viel mächtiger zu sein, als es sonst der Fall ist.
Die wohl stärkste und sehenwerte Komponente dieses Film sind jedoch neben dem faszinierenden Soundtrack, auch die wirklich sehenswerten Special-Effects und das 3D. Dabei sind es nicht unbedingt die Effekte, wie wir sie schon einmal in Inception gesehen habe (wer den Trailer gesehen hat, wird verstehen was ich meine) oder die, die in den Kampfszenen eingesetzt werden, sondern vielmehr sind es die Darstellungen der Parallelwelten, die ein echter Hingucker sind. Allen voran der schon fast psychedelische Trip von Strange, als Tilda Swinton als Die Älteste ihren neuen Schüler durch die Dimensionen schleudert, ist die Kinokarte wert. Es sind aber alles in Allem diese wirklich überall mit Bedacht eingesetzten vielseitigen Special-Effects, die den Film von Derrickson zu einem visuellen Rausch werden lassen, der in Sachen Marvel wirklich seinesgleichen sucht und eine perfekte Symbiose zwischen dem Element der Geschichte und der visuellen Komponente eingeht, die viele Actionfilme dieser Art vermissen lassen.
Mit seiner filmischen Botschaft – genau wie seiner Geschichte – erfindet Doctor Strange am Ende das (kosmische) Rad nicht neu, doch die sehr amüsante und vor allem visuell aspruchsvolle Art und Weise mit der der Film diese Geschichte umsetzt, ist wirklich sehenswert. Das alles gepaart mit einem charismatischen Hauptdarsteller, der für diese Rolle wie geschaffen scheint, machen diese Marvel-Verfilmung zu einem wirklichen Highlight in dieser letzten Jahreshälfte.
Kinostart: 27. Oktober 2016