Ursprünglich gepostet am: 18. Oktober 2013 auf filmosophie.com
Der Italo-Amerikaner Jon Martello (Joseph Gordon-Levitt) ist der typische Frauenschwarm und so passiert es fast schon automatisch, dass er am Ende des Abends mit seinen Freunden mit der schönsten Frau im Bett landet. So toll und aufreizend diese One-Night-Stands und der Sex aber auch sein mögen, das einzige was ihn seiner Meinung nach wirklich befriedigt und abschalten lässt ist die Pornosammlung auf dem eigenen Computer.
Als er und seine Freunde eines Abends im Club die attraktive Barbara (Scarlett Johansson) entdecken, ist Jons Jagdfieber ausgebrochen und so versucht er sie ins Bett zu kriegen. Zwar finden sich beide attraktiv, jedoch wird nichts aus dem geplanten One-Night-Stand. Im Gegensatz zu sonst und statt sich um die nächste Frau „zu bemühen“, geht Barbara Jon aber nicht mehr aus dem Kopf und so versucht er sie zum Essen einzuladen. Erst nach mehreren misslungenen Versuchen von Jon und mehrfachem Ablitzenlassen, kommen die beiden zusammen. Entgegen Jons früherem Lebensstil, entwickelt sich zwischen den beiden so etwas wie eine feste Beziehung, doch als Barbara eines Tages seine Pornosammlung entdeckt, droht diese wieder zu zerbrechen. Nach der Entdeckung schaut Jon, der von seiner Sucht einfach nicht ablassen kann, nur noch auf seinem Smartphone seine Pornos. Als er eines Abends in der Abendschule heimlich einen Porno schaut, entdeckt ihn die viel ältere Esther (Juliane Moore), die ihm beibringen will, dass man, um sich wirklich gehen zu lassen, keiner Pornos bedarf und echte Liebe und echte Gefühle mehr sind als die Welt in seinen Pornos oder die Welt die er sich ausmalt.
Diesen Text hatte ich ursprünglich an anderer Stelle schon zu Berlinale veröffentlicht. Es war mein zweiter Text live vom Festival und als ich damals aus der Pressevorführung kam, wusste ich nicht was ich schreiben soll, wie ich beginnen sollte, gerade weil es sich um ein Debütfilm handelt. Ist es wirklich Aufgabe des Kritikers zu bestimmen, ob der Film der breiten Masse gefallen wird und wird es dieser Film tun? Ich kann diese Fragen in Bezug auf Don Jon mit einem klaren „Jein“ beantworten.
Zugegeben, was die Erzählstruktur des Films anbelangt, geht Joseph Gordon-Levitt in seinem Erstlingswerk nicht neue Wege, wie man es „eigentlich“ von einer Independent Filmproduktion erwarten würde. Das Schema des Films ist leicht zu erklären: Boy fucks girls, boy meets the „perfect“ girl, boy looses the „perfect“ girl, boy meets another girl … and learns his lesson for life. Schaut man noch einmal auf den Titel, ist glaube ich klar worauf ich hinaus will. Doch da wären wir schon beim Problem: muss ein Film immer neue Wege gehen?
Wirft man z.B. einen Blick auf die Filme in denen Hauptdarsteller und Regisseur Joseph Gordon-Levitt mitgewirkt hat, ist es schwer zu glauben, dass er sich auf das Niveau einer hirnlosen Komödie herablässt, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, würde man nur all die „fucks“ und „fuck you“ (verbal und körperlich versteht sich) als zentrale Elemente des Films werten. Die Stärke des Films ist die maßlose Übertreibung, die er an den Tag legt und sich dabei vielleicht auch selbst nicht zu ernst nimmt. Die Figuren des Films sind so überspitzt und strotzen oft nur so vor Klischees, dass sie nicht nur witzig sind, sondern wirklich der Realität entsprungen scheinen. Oder um es einfach zu formulieren: die besten Charaktere „schreibt“ doch das Leben selbst. Die Entwicklung, die Jon vom Süchtigen, der eigentlich nicht weiß, dass er süchtig ist, zum Geheilten durchmacht, ist nachvollziehbar, doch nicht immer glaubhaft. Vielleicht weil sie einfältig erscheint. Doch betrachtet man sie aus einer neutralen Perspektive, ist sie gerade wegen dieser Banalität wieder normal und menschlich. Sie erscheint wohl aber auch aus dem Grund unglaubwürdig, weil man Joseph Gordon-Levitt den Internetpornosüchtigen und tendenziell oberflächligen Casanova einfach nicht abnehmen will, bedenkt man seine anderen, ernsten Rollen. Aber das ist – so schätze ich mal – wohl die Hauptaufgabe eines Schauspielers und das Problem, wenn Regisseur und Hauptdarsteller ein und die selbe Person sind. Trotzdem, Scarlett Johansson amüsiert sehr in ihrer Rolle als Barbara und als Femme Fatal, als die – ja seien wir ehrlich – sprichwörtliche „Bitch“ und es ist ein Genuss Tony Danza als Jons Vater zu sehen, der seinem Sohn in Sachen Casanovatum in nichts nachsteht.
Gordon-Levitts Film ist ein zaghafter und vielleicht nicht immer gelungener aber witziger Versuch ein zentrales Problem unserer Gesellschaft zu beleuchten: die Tatsache, dass im Angebot der Medien – und gerade im Internet -, so etwas wie echte Gefühle oder gar echte Liebe und Zärtlichkeit in der Masse untergehen zu scheint. Diese Medienkritik wird einem aber nur klar, wenn man den Worten des Regisseurs in der anschließenden Berlinale-Pressekonferenz lauscht, da sich das leider nicht aus dem Film ergiebt – und das ist vielleicht auch das größte Manko an diesem Film. Doch mal ehrlich, müssen Filme immer perfekt sein? Nein, ich denke nicht und ich vermute, dass es wohl in der Natur unserer Tätigkeit als Filmkritikern liegt, dass wir oft mit anderen Erwartungen in den Film gehen, gerade wenn es sich um namhafte Regisseure und Stars handelt wie Joseph Gordon-Levitt und wir diese Namen immer mit einem fehlerlosen Film verbinden.
Don Jon ist verspielt und vielleicht nicht jedermanns Sache, aber eben das Erstlingswerk, dem man schon einmal den ein oder anderen Fehler zugestehen darf und sollte. Vielleicht verkörpert er mit seiner Imperfektion eben auch die Chance, die sich dem Independent Film bietet: ein Film zu sein, der nicht unter dem Druck des Box Office zu leiden hat und einfach mal ein Film sein kann, der Spass machen darf und ehrlich ist. Ja, seien wir ehrlich, das ist die größte Stärke des Films: seine Ehrlichkeit.
Kinostart: 14. November 2013