Ursprünglich gepostet am: 30. Januar 2016 auf filmosophie.com
Erschütternde Wahrheit von Peter Landesman ist ein interessanter Thriller, der auf der unglaublichen aber wahren David-gegen-Goliath-Geschichte von Dr. Bennet Omalu (Will Smith) basiert. Der brillante nigerianische Facharzt für forensische Neuropathologie entdeckt als Erster bei einem Profi-Sportler das Phänomen der CTE – ein durch Sport verursachtes Hirntrauma. Der Film zeigt seinen Kampf zusammen mit dem ehemaligen Team-Arzt Dr. Julian Bailes (Alec Baldwin), diese Wahrheit an die Öffentlichkeit zu bringen. Dabei führen Omalus emotional mitreißende Nachforschungen zu einer gefährlichen Auseinandersetzung mit einer der mächtigsten – und meistgeliebten – Institutionen der Welt: der National Football League (NFL). Eine Institution, die es mit ihrem Sport geschafft hat, nicht nur eine riesigie Maschinerie aufzubauen, sondern auch eine ganze Nation und einen nationalen Mythos an sich zu binden.
Seien wir ehrlich, ein Blick ins Internet und jeder weiß wie der Film nach der Entdeckung des CTE-Phänomens verlaufen wird. Desto mehr Omalu am fleischgewordenen nationalen amerikanischen Sportmythos herumoptuziert, desto mehr wird klar, dass eine Menge Menschen nicht damit zufrieden sein können und alles daran setzten werden, um ihn als unfähigen Scharlatan dastehen zu lassen. Denn es geht um Geld, viel Geld. Oder um es mit Worten von Alec Baldwin zu formulieren: das was vorher der Tag der Kirche war, ist heute der Tag der NFL. Doch Regisseur Peter Landesman geht es nicht primär um die historische Geschichte, sondern um ein Figurenpotrait. Und das gelingt ihm dieses Mal viel besser als vor 2 Jahren, als sich Kill the Messenger (2014) nicht entscheiden konnte, ob der Film nun lieber ein Geschichtsdrama à la Oliver Stone oder ein Figurenportrait ist. Und so entscheidet sich der Film zu Recht gegen mögliche krude Verschwörungstheorie oder stellt gar die NFL als gewissenloses Monstrum das (was sie im Endeffekt aber vielleicht ist). Der Film widmet sich ganz der Person Omalu.
Einen sehr großen Anteil an diesem gelungenen Portrait hat in diesem Zusammenhang die sehenswerte Darbietung von Will Smith als Dr. Bennet Omalu. Er spielt den von dem Drang zur Wahrheit beseelten und von Leidenschaft getragenen Arzt mit einer Überzeugung, die fast schon ansteckend ist. Ja, es sind gerade diese Leidenschaft und diese Figur mit einem faszinierenden inneren moralischen Kompass, die nicht nur Triebfeder für den Film sind, sondern auch in meinen Augen die zentrale Faszination des Films ausmachen.
Ebenso sehenswert ist die dezente und doch fast schon irgendwie sinnliche Kameraarbeit von Salvatore Totino, die den Zuschauer immer nah bei den Figuren hält und dabei auch eine eigene und sehr passende Bildsprache entwickelt, ohne dabei dem Film einen ungewollten Touch von Effekthascherei zu verleihen.
Doch Peter Landesman punktet am Ende auf einer anderen Ebene. In der Regel tendieren Filme die einen amerikanischen Mythos behandeln oder solche uramerikanischen Themen wie Baseball oder eben Football thematisieren, immer dazu nicht ohne die gewisse Portion Pathos auszukommen. Doch Erschütternde Wahrheit zeigt sich von dieser Tendenz überraschend unbeeindruckt und kommt auf erfrischende Art und Weise ohne Pathos und american way of life-Belehrungen aus. Mehr sogar, selbst die Momente, in denen man glaubt, dass nun doch der überfällige Löffel Pathos kommen müsste, umschifft Landesman bravourös. Und spätestens bei der letzten Szene des Films merkt man, dass diese Entscheidung die richtige war. Und auch wenn die wahre Lebensgeschichte hier die Vorlage ist und damit das Ende schon vorgeschrieben war, schaffen es Smith und Landesman dies auf eine Art zu zeigen, die ihm nicht mit diesem „Nicht schon wieder“ Gefühl auf dem Kino entlässt.
Kinostart: 18. Februar 2016