Ursprünglich gepostet am: 05. September 2015 auf filmosophie.com
Schottland im Mittelalter. Nach einer siegreichen Schlacht beginnt der unaufhaltsame Aufstieg des machthungrigen Heerführers Macbeth. Verführt von einer mysteriösen Prophezeiung und angetrieben von seiner ehrgeizigen Frau, ermordet Macbeth seinen König Duncan, um selbst den Thron von Schottland zu besteigen. Sogar seinen treuen Freund und Mitwisser Banquo lässt er beseitigen. Doch je brutaler seine Schreckensherrschaft wird, desto mehr plagen Macbeth und seine Ehefrau die Dämonen ihrer Schuld. Als sich Duncans Sohn Malcolm (Jack Reynor) mit Macbeths größtem Widersacher Macduff verbündet und eine Armee gegen den Tyrannen versammelt, wendet sich das Blatt.
Und der Rest ist Schweigen. Oder auch nicht. Die Werke von William Shakespeare leben zum großen Teil von der gesprochenen Sprache, den Monologe, den Dialogen aber besonders von der Wortwahl des Barden. Ein Film ist kein Theaterstück, in dem der Zuschauer eben mehr den Worten lauscht als auf die Kulisse schaut. Damit ein Film somit nicht nur toll ausgestattetes abgefilmtes Theater ist, muss dieser eben auf der visuellen Ebene punkten. Aber dazu später.
In Punkto Text und Dialog bleibt Regisseur Justin Kurzel dem Originalstoff treu, denn bis auf die ein oder andere filmisch bedingte Kürzung, sind Dialoge und Geschehen die gleichen wie im Theaterstück. Vielleicht ist es daher auch ratsam im Original anzuschauen. Mehr sogar, da der Film auch an „Originalschauplätzen“ in Schottland gedreht wurde, war es auch naheliegend, dass die Personen auch schottisches Englisch sprechen, was dem Film noch einem Pluspunkt mehr verleiht – aber auch wieder zur Herausforderung macht.
Überhaupt ist die Besetzung des Films ein Glücksgriff und überzeugt von Beginn an. Der Text ist nun einmal der, der er ist und die Schauspieler müssen ihn interpretieren. Und das machen alle beachtenswert gut. Allen voran Michael Fassbender in der Rolle von Macbeth, dem der schleichende Wahnsinn und die Machtgier im Verlauf des Films immer deutlicher ins Gesicht geschrieben ist. Sehenswert hier definitiv die Szene im Festsaal des Schlosses, in der Macbeth den Geist des kurz davor ermordeten Banquo (Paddy Considine) in der Menge der Gäste entdeckt und von seinem Gewissen getrieben, dem Wahnsinn immer näher kommt. Ebenfalls sehenswert Marion Cotillard als Lady Macbeth und damit machthungrige treibende Kraft in diesem Kampf um den schottischen Thron.
Aber wie gesagt, der Film punktet am meisten auf der visuellen Ebene. Es fängt schon bei der Kulisse an. So spielen fast 90 Prozent des Films außen vor dem stellenweisen surreal aber auch karg und düster wirkenden Hintergrund der schottischen Highlands. Das verleiht dem Film eine gewisse Härte und Direktheit. Ja, der Film ist generell brutal, wie eben das Theaterstück im Kern ja auch ist. Es gibt Schlachten, es fließt Blut, es werden Menschen ermordet. Dahingehend mag der Film oft auch hart und direkt sein wie z.B. beim Mord an König Duncan (David Thewlis). Er spart die Brutalität nicht aus, doch er vermeidet es sich an der Gewalt zu ergötzen. Viel mehr sogar, durch das nicht Aussparen der Gewalt, erinnert der Film an die Gewalt und die Brutalität, die diesem Theaterstück im Kern eigentlich inne wohnt und oft auch vergessen wird. Nicht ohne Grund ist es dieser Gang in die tiefsten und brutalen menschlichen Abgründe, der die Faszination des Stückes ausmacht.
Darüber hinaus entwickeln Regisseur Kurzel und Kameramann Adam Arkapaw eine eigentlich ungewöhnliche und doch passende Bildsprache für diesen Film. Allen voran die Inszenierung der Eingangsschlacht, die das Drama eigentlich erst ins Rollen bringt. Die Slow-Motion Aufnahme scheinen auf den ersten Blick eine visuelle Spielerei zu sein, doch sie konzentrieren den Zuschauer auf Macbeth, der hier zum ersten Mal die Hexen sieht. So verleiht die Szene diesem Moment eine gewisse Zeitlosigkeit und hinterlässt den Zuschauer mit dem Gefühl einer düsteren Vorahnung zurück und es wird klar, dass hier das unausweichliche Drama um Macht, Königsmord, Wahnsinn und menschliche Abgründe seinen Anfang nimmt und seinem unweigerlichen Ende entgegen rollt. Ein visuell sehenswertes Gegenstück zu dieser Anfangsszene ist da die Inszenierung des finalen Duells zwischen Macbeth und Macduff (Sean Harris). In ihrer ungewöhnlichen Inszenierung, bilden beide Szenen, Anfang und Ende, somit eine Art filmische Klammer für den Rest des Films, der eigentlich klassisch und ohne extravagante Bildsprache auskommt.
Der Film ist eine Tour de Force auf allen Ebenen und die neue Wege geht. Doch es ist eine, die es ist wert gemacht zu werden und vor allem wegen seinem Bilderrausch visuell sehenswert ist.
Kinostart: 29. Oktober 2015