Ursprünglich gepostet am: 01. Mai 2016 auf filmosophie.com
Frankreich, kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts: Auf der Suche nach neuem Talent entdeckt der Clown George Footit (James Thiérrée) den aus der Sklaverei entflohenen Chocolat (Omar Sy), der mit einem kleinen Wanderzirkus durchs Land reist. Die beiden Außenseiter freunden sich an und entwickeln eine gemeinsame Bühnenshow, die schnell zu einem großen Zuschauermagneten wird. Auftritte in den größten Zirkushäusern von Paris machen Footit und Chocolat schließlich landesweit bekannt. Doch der große Ruhm treibt nicht nur einen Keil in die Freundschaft der beiden, sondern zieht auch die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich. Chocolat muss feststellen, dass er viele Feinde hat, die den Erfolg eines schwarzen Künstlers nicht dulden werden…
Eigentlich sollten Clowns lustig sein, doch der fade Beigeschmack bei der Nummer von Footit und Chocolat lässt einen von Beginn an nicht mehr los. Schon als die beiden zum ersten Mal zusammen in der Manege stehen, sollte eigentlich jeden klar sein, warum das Publikum lacht. Doch ist das so? Ein Clown tritt einem anderen Clown in den Hintern und das Publikum lacht über die daraus resultieren Slapstick Nummer. Und selbst als moderner Zuschauer, der aus historischen und sozialen Gründen mit Zirkus eigentlich nicht mehr viel am Hut hat, kann man sich über das ein oder andere Lachen nicht verkneifen.
Doch als das Duo es geschafft hat dem kleinen Wanderzirkus zu entfliehen und im Programm eines Pariser Edelzirkus aufzutreten, wird einem vor Auge geführt, was wirklich die ganze Zeit passiert ist: Footit taumelt durch die hell erleuchtete Manege und versucht sich mit einer Kerze in einem vermeintlich dunklen Raum Licht zu verschaffen. Chocolat schleicht ihm hinterher. Als Footit meint ein Geräusch hinter sich zu hören, dreht er sich um, um zu sehen, wer da hinter ihm her läuft. Doch trotz der Kerze sieht Footit nicht, dass Chocolat direkt vor ihm steht. Footit geht weiter und wieder ein Geräusch, aber auch dieses Mal wieder nichts zu sehen.
In diesem Moment, der auf paradoxe Weise auch sein Komik hat, wird einem bildlich vor Augen geführt warum wir als Zuschauer eigentlich die ganze Zeit gelacht haben: Ein weißer Clown tritt einem Schwarzen (Clown) in den Hintern. Ein weißer Clown sieht den Schwarzen nicht in einem schwarzen Raum, selbst wenn er eine Kerze hinhält. So hält die Szene dem Zuschauer den Spiegel vor und offenbart uns das, was wir es im tieferen Inneren vielleicht schon gewusst haben. Das will nicht heißen, dass wir alle Rassisten sind. Die Szene offenbart vielmehr die Täuschung, der wir und vor allem auch Chocolat aufgesessen sind. Das Publikum lacht nicht über die witzige Nummer. Nein, es lacht weil ein Weißer einem Schwarzen in den Hintern tritt.
Und gerade aufgrund dieser Täuschung, erliegt Chocolat dem Irrtum, dass er mehr sein könnte als der schwarze Clown über den alle lachen. Dabei zählt nicht, dass Chocolat den klassischen Starallüren erliegt, sondern vielmehr, dass die Zeit noch nicht reif ist. Und so zeigt sich auf schmerzhafte Weise, dass hinter der vermeintlichen Freiheit, die den Schwarzen laut der Verfassung zusteht, noch immer der Rassismus steckt. Und daran auch nichts die Tatsache, dass sich Chocolat nun Rafaell Padilla nennt. Das Publikum will Chocolat. Es will, dass ein Weißer einem Schwarzen in den Hintern tritt und nichts mehr.
Diese Tatsache ist per se schon tragisch genug, doch dabei geht die zweite tragische Figur im Bunde unter: Footit. Und leider kommt dieser Aspekt im Film ein bisschen zu kurz.
Man kann sich nicht dem Eindruck erwehren, dass Footit von der Nummer, der eigentlich Rassismus zu Grunde liegt, profitiert. Doch als sich Chocolat eines Tages in der Manage gegen seinen „Meister“ erhebt und die Ohrfeige erwiedert, merkt man, dass Footit eigentlich mehr ist als nur Profiteur ist. Es ist dieser wirklich herzzerreißende Momente, als Footit durch die Ohrfeige zu Boden fällt und mit erschrockenen und zugleich (chaplinschen) traurigen Augen zu Chocolat hoch blickt, in dem man merkt, dass er im Begriff ist nicht nur seinen Partner und ja, auch „Prügelknaben“ zu verlieren, sondern auch einen guten Freund. Und das tragische Ende dieser Freundschaft, ist wohl mit das traurigste an diesem Film.
Kinostart: 19. Mai 2016