Ursprünglich gepostet am: 27. November 2013 auf filmosophie.com
Irgendwie thematisch passend zum Film gleich ein Geständnis: ich habe die südkoreanische Vorlage zu Oldboy von Park Chan-wook aus dem Jahr 2003 nicht gesehen.
Zu Beginn habe ich gedacht, dass das eventuell ein Problem sein könnte. Auf der anderen Seite muss ich jedoch sagen, dass genau diese mangelnde Vergleichsmöglichkeit mir die Gelegenheit gibt, den Film von Spike Lee unvoreingenommen zu betrachten, ohne ihn dabei immer am Original messen zu müssen.
Nach dem Film habe ich längere Zeit darüber nachgedacht, was ich eigentlich schreiben soll. Offen gesagt, bin ich nach dem ganzen Hype um das Original von Chan-wook Park, dem ersten Teil der „Rache-Trilogie“ Sympathy For Mr. Vengeance und die darin zelebrierte Gewalt, ein bisschen enttäuscht von der Version von Spike Lee.
Wie gesagt, ich habe das Original nicht gesehen und ohne dabei die Gewalt verherrlichen zu wollen, muss ich sagen, dass die Gewalt in Spike Lees Film ein bisschen lahm und wenig überzeugend daherkommt. Nehmen wir dazu mal zwei andere Beispiele als Vergleich: auf der einen Seite die Gewalt in den Filmen von Quentin Tarantino und auf der anderen Seite eben Sympathy For Mr. Vengeance.
Der Exzess von Gewalt in den Filmen von Tarantino nimmt solch ein Ausmaß an, dass die Gewalt selbst schon an Bedeutung und Kraft verliert. Nicht ohne Grund muss man als Zuschauer stellenweise schon grinsen, wenn man eine Gewaltszene von Tarantino sieht. Das aber nicht weil sie schlecht gemacht ist, sondern vielmehr weil die bewusste Übersteigerung der Gewalt diese eigentlich entmystifiziert und unterwandert.
Auf der anderen Seite sind solche Filme wie eben Sympathy For Mr. Vengeance und andere asiatische Beispiele, die die Gewalt zwar nicht glorifizieren, jedoch stellenweise im höchsten Maße ästhetisieren. Der Akt der Ausübung der Gewalt wird somit nicht zum Akt blinder und plumper Wut und Zerstörungswillens, sondern bekommt einen fast schon paradox und bizarr anmutenden Schein von Eleganz. Ergänzend hinzu kommt vielleicht auch noch, dass der Stellenwert der Ehre, der Rache oder besser gesagt der Wiederherstellung der Ehre in den asiatischen Filmen und der asiatischen Kultur eine andere Form und Wichtigkeit annimmt als in den westlichen Filmen.
Die Gewalt in Spike Lees Remake von Oldboy folgt jedoch keinem der beiden beschriebenen Wege und verliert sich in einem unkonkreten Mittelweg. Während bei Tarantino die Übersteigerung und in den asiatischen Filmen die Ästhetik die Ziele sind, scheint die Gewaltdarstellung in Spike Lees Film vordergründig der Rache zu dienen, jedoch wirkt sie plump. Der Film imitiert zwar stellenweise die filmische Eleganz und Inszenierung der asiatischen Vorbilder, jedoch bleibt es auch dabei. Man kauft Hauptfigur Joe Doucett (Josh Brolin) den Willen nach Rache und Wiederherstellung der Ehre nicht richtig ab. Bezeichnend ist hier wohl die erste Szene nach Doucetts Befreiung, als er aus keinem wirklichen Grund eine fünfköpfige Gruppe von Footballspielern krankenhausreif schlägt. Es ist vielleicht gerade dieser unbegründete und vor allem dramaturgisch unwichtige Drang, seine Wut an den Spielern auszulassen, der die danach folgende und eigentlich wichtige Rache an seinen Peinigern und eigentlichen Feinden plump, wenig überzeugend und vor allem sinnentleert erscheinen lässt. Auch der von Doucett gefasste Entschluss mit der Flucht aus seinem Gefängnis ein besserer Vater zu werden, steht diesem Gewaltausbruch völlig entgegen.
Es ist schade, dass die Gewalt und die Rache, die eigentlich zentrale Rollen in diesem Film spielen, nicht das erreichen was notwendig ist und somit ein negatives Licht auf das ganz Remake werfen.
Viel spannender und interessanter finde ich an Lees Oldboy die fast schon provokative und immer wiederkehrende Einordnung der Handlung in das Umfeld einer (afro-)amerikanischen Konsumgesellschaft und Populärkultur sowie die damit zusammenhängende Konsum- und Medienkritik. Neben dem aus dramaturgischer Sicht wichtigen (asiatischen) Fast-Food, sind es die immer wiederkehrenden Werbespots und Marken, die immerwährende Präsenz des Fernsehers und die fast schon penetrant präsentierte Leuchtreklame eines Motels, die diesen Eindruck vermitteln. Auch die Tatsache, dass Doucett Protagonist des perversen und medial inszenierten Spiels von Adrian Pryce (Sharlto Copley) ist, verlagert den Kern des Films vielmehr auf eine Medienkritik als auf das Thema der Rache. Mehr sogar, die Rache scheint darin zu versinken. Vielleicht nicht ohne Grund musste ich während des Films an den medienkritischen und den Voyeurismus anklagenden deutschen Spielfilm Das Millionenspiel (1970) denken, in dem ein Mann in einer fiktiven Fernsehshow gejagt wird und ähnlich wie Doucett Aufgaben erfüllen muss, um sein Leben zurück zu bekommen. Wenn man daher als Zuschauer Mitgefühl mit Lees Hauptfigur haben muss, dann nur eben deswegen, weil sie Spielball einer voyeuristischen, schon fast krankhaften und medial dominierten Konsumgesellschaft ist.
Kinostart: 5. Dezember 2013