Ursprünglich gepostet am: 22. Mai 2013 auf filmosophie.com
Als häufiger Kinogänger und Kritiker passiert es doch das ein oder andere Mal, dass ich voreingenommen in einen Film gehe und am Ende eines Besseren belehrt werde – wie in diesem Fall.
Als der 18-jährige Jason (Rafi Gavron) eines Tages ein Päckchen mit Drogen annimmt, das ihm ein Freund geschickt hat, wird er direkt von der Polizei festgenommen, die einen Peilsender im Paket versteckt hatte. Ihm drohen nun 10, im schlimmsten Fall sogar 30 Jahre Haft. Jason hat jedoch die Chance seine Strafe zu verringern, wenn er die Namen von weiteren Beteiligten nennt und sie damit ans Messer liefert – genau wie es der Freund mit Jason schon gemacht hat. Entgegen dem Rat seiner mittlerweile geschiedenen Eltern Sylvie Collins (Melina Kanakaredes) und John Matthews (Dwayne Johnson), entscheidet er sich dafür keine Namen zu nennen und geht lieber ins Gefängnis. So droht Jason wegen eines unverhältnismäßigen Gesetzes, die meiste Zeit seines noch jungen Lebens hinter Gittern zu verbringen.
Weil John seinen Sohn aber aus dem Gefängnis holen will, bietet er Staatanwältin Joanne Keeghan (Susan Sarandon) den Deal an, dass er an Stelle seines Sohnes die Drogenhändler aufspürt und ihr die Namen liefert. Keeghan, die gerade für ein politisches Amt kandidiert, beharrt jedoch auf der Strafe für Jason und erst als John auf eigene Faust zu ermitteln versucht und sich dabei in Gefahr bringt, lässt sie sich auf den vorgeschlagenen Deal ein.
Mit Hilfe seines Angestellten Daniel James (Jon Bernthal), einem Ex-Sträfling der wegen Drogendelikten schon im Gefängnis war, versucht Matthews nun Kontakt zum Drogenmilieu aufzunehmen und bietet sich und die Trucks seiner Baufirma als Transportmittel für die Drogen an. James, der nichts von dem Deal mit der Polizei weiß, akzeptiert die 20.000 Dollar die ihm Matthews für seine Mitarbeit geboten hat, in der Hoffnung, sich, seiner Frau und seinem Sohn ein neues Leben bieten zu können, das weit weg ist von den unsicheren und gefährlichen Verhältnissen, in denen sie jetzt leben. Bei der ersten Übergabe werden die Beteiligten von einer rivalisierenden Bande überfallen, Matthews und James schaffen es jedoch sicher mit der Ware zu entkommen. Von dem Mut beeindruckt, will Kartellboss Juan Carlos „El Topo“ Pintera (Benjamin Bratt), dass Matthews von nun an das Geld des Kartells über die Grenze nach Mexiko bringt. Was zu Beginn nur ein einmaliger Job war, entpuppt sich nun als einzigartige Chance einen entscheidenden Schlag gegen die Drogenmafia zu machen und Pintera zu überführen. Matthews und all die anderen Beteiligten sind jedoch schon zu sehr im Strudel des Kartells gefangen und so wird diese wirklich letzte Aktion nicht ohne Probleme ablaufen.
Wie schon erwähnt, hat mich der Film stellenweise ein bisschen überrascht.
Dwayne Johnson bietet hier keine schauspielerische Höchstleistung und er selbst tut sich stellenweise sichtlich schwer, den Muskelprotz in seinem Auftreten abzulegen. Das Problem bei der ganzen Sache ist aber nicht zwangsläufig immer die schauspielerische Leistung von Johnson, sondern liegt vielmehr auch darin begründet, dass die Zuschauer – mich eingeschlossen – Dwayne Johnson immer noch mit solch Action beladenen Rollen identifizieren, wie z.B. in The Mummy returns, Welcome to the Jungle oder den fünften Teil der Fast & Furious-Reihe.
Auf dramaturgischer Ebene kommt der Film leider nicht an die Raffinesse von Filmen wie Traffic von Steven Soderbergh heran, der einem bei dieser Thematik unweigerlich in den Sinn kommt, und so passiert es, dass der Plot stellenweise vorhersehbar ist. Leider schafft es der Film auch nicht, die bedrohliche Situation bis zum Ende aufrecht zu erhalten, in die John Matthews seine Familie und seinen Mitstreiter Daniel James gebracht hat, als er als Spitzel (Snitch) den ersten Kurierjob angenommen hat. Ebenfalls verpasst es der Film die Dringlichkeit zu betonen, die der Auftrag von Matthews eigentlich hat: während er versucht in das Kartell zu kommen, wird sein Sohn, dem die Verzweiflung und die Angst im Gefängnis sichtlich anzusehen ist, immer wieder von Mithäftlingen geschlagen. Leider verpufft auch diese dramaturgische Möglichkeit ungenutzt.
Interessant an diesem Film ist aber der Stil und seine Machart. Die Musik und die immer in entsättigten, gräulichen Farbtöne gefilmte Umgebung vermitteln ein Gefühl der Nähe zum Geschehen, aber auch das Gefühl der Verzweiflung und der verzwickten Situationen, in der sich die Figuren aus verschiedenen Gründen während des Films immer wieder befinden. Diese Atmosphäre der latenten Verzweiflung lässt sich interessanter Weise im Satz „Jeder ist sich selbst der Nächste“ zusammenfassen, der einem auf thematischer Ebene wie ein roter Faden immer wieder während des Films begegnet. So müssen sich die Figuren immer wieder die Frage stellen, wer oder was ihnen wichtiger ist. Wenngleich aus dramaturgischer Sicht nicht konsequent gelöst, zeigt sich dies wohl besonders in der Entscheidung von Staatanwältin Joanne Keeghan, die lieber Matthews Leben auf’s Spiel setzt, um damit einen großen Fisch zu fangen und ihre – so vermute ich mal – Wiederwahl zu unterstützen, statt Matthews Bitte schnell zu entsprechen und seinen Sohn endlich frei zu lassen. Ich denke, es ist wohl die größte Schwäche dieses Films, dass, genau wie in diesem Fall, immer wieder einzelne Erzählstränge angerissen werden, aber nicht bis zum Ende durchgezogen werden. Die Wiederwahl von Keeghan z.B. wird zwar zu Beginn des Films durch mehrere Wahlplakate etabliert und angedeutet, jedoch nie mehr erwähnt oder für den Plot genutzt.
Angerechnet werden muss dem Film jedoch, dass er – trotz oder gerade wegen seines Hauptdarstellers – nicht auf die Action-Karte setzt. Bei den wenigen Actionszenen verzichtet der Film interessanter Weise auf das Getöse und Knarren, das sonst in diesem Kontext immer auf der Tonspur zu hören ist. Der Film ist dahingehend erfrischend ehrlich und versucht damit auch nicht seine dramaturgischen und schauspielerischen Schwächen zu kaschieren. Snitch will aber eigentlich kein Actionfilm sein und sich mehr auf den Plot fokussieren, umso bedauerlicher daher, dass er auf der Ebene Schwächen zeigt.
Snitch ist – um ein Fazit zu ziehen – als Ganzes gesehen nicht überragend, jedoch ein interessanter Versuch von Dwayne Johnson sich von seinem Action-Image zu lösen. In seiner nüchternen und vielleicht nicht immer geglückten Machart, ist er aber konsequent und ehrlich und reflektiert somit irgendwie die Kühle, Härte und Nüchternheit, die die unverhältnismäßigen Antidrogen-Gesetze eigentlich haben und mit sich bringen.
Kinostart: 6. Juni 2013