Ursprünglich gepostet am: 14. April 2014 auf filmosophie.com
Vor Kurzem hatte ich euch bereits meine Eindrücke aus der 30-minütigen Footage-Preview von The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro geschildert. Nun hatte ich die Gelegenheit, den ganzen Film zu sehen und zu schauen, ob mein Ausblick stimmte.
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht wie sonst mit einer kurzen Einführung in den Plot beginnen. Abgesehen davon, dass ich mich letztens auch wieder gefragt habe, ob eine kurze Zusammenfassung in Kritiken eigentlich sinnvoll ist oder nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Da man uns aber gebeten hat, nicht zu spoilern, möchte ich dieser Bitte in diesem Fall auch nachkommen und verzichte darauf, die Handlung vorwegzunehmen. Vielleicht ist das in Hinblick auf die Geschichte auch ganz gut.
Ich kann aber verraten, dass aus dramaturgischer Sicht der zweite Teil auf The Amazing Spider-Man von 2012 aufbaut, bei dem Marc Webb bereits Regie führte. Es kann daher nicht schade, sich zur Auffrischung den ersten Teil noch einmal anzuschauen.
Nachdem ich den kompletten Film gesehen habe, kann ich sagen, dass meine auf den 30 Minuten Footage basierenden, nennen wir sie mal „Vorhersagen“, zu 90% stimmten. Der Film überzeugt wie gehabt durch tolle Effekte und ein nicht aufdringliches und schönes 3D, die den Film in den Actionszenen zu einem visuellen Abenteuer machen. Es macht einfach Spaß, Spider-Man bei seinen Kämpfen und bei seinen Sprüngen durch die Häuserschluchten von New York zu beobachten. Daher vielleicht auch der Hinweis, den Film im IMAX Format oder zumindest im Kino zu schauen. Was wir als Filmkritiker sowieso immer empfehlen.
Auch der zweite Teil schafft es, diese erfrischende Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit zu finden, die sich in vielen Aspekten des Films widerspiegelt. Eine Leichtigkeit, die ihn definitiv von den drei Teilen mit Tobey Maguire unterscheidet, denen man stellenweise etwas Kitschiges und ja, vielleicht auch etwas Unpersönliches ankreiden könnte. Einen großen Anteil an dieser Leichtigkeit haben zweifelsohne Andrew Garfield und Emma Stone, die wunderbar miteinander harmonieren. Zugegeben, aus persönlicher Sicht hatte dieser zweite Teil stellenweise auch einen Touch zu viel Romantik, doch das sei dem Film und der Liebe zwischen Peter Parker und Gwen Stacy zugestanden.
Doch nicht nur das Zusammenspiel zwischen Garfield und Stone machen den Film aus, sondern auch die Art und Weise wie Garfield die Figur von Peter Parker/Spider-Man interpretiert. Genau wie im ersten Teil ist es eben auch hier diese Mischung zwischen Ernst und Humor, die Spider-Man ein neues Gesicht verleiht: auf der einen Seite ist Peter Parker, stellenweise schüchtern und ernst, der im normalen Leben schwer an der Verantwortung als Spider-Man zu tragen hat. Auf der anderen Seite ist Spider-Man, der das Gegenteil ist. Die Maske und das Kostüm verleihen Peter Parker nicht nur den Schutz und die Anonymität des Superhelden, sondern stellenweise auch eine jugendliche Überheblichkeit, die schon fast an Arroganz grenzt. Und das ist aus dramaturgischer Sicht wohl nicht ganz unwichtig.
Vielleicht musste ich deswegen während der Pressevorführung immer wieder an die von Christian Bale verkörperte Version von Batman denken. Dieser neue Spider-Man fällt, genau wie Batman und Superman, in die Kategorie von Helden, die in den letzten Jahren ein Revival auf der Leinwand erlebt haben. Sie sind von dem comichaften, stellenweise unpersönlichen Podest herunter geholt worden. Sie sind zu menschlichen und zum Teil gebrochenen Helden geworden, die nicht über alle Fehler erhaben und vor allem nicht emotional immun gegen das sind, was um sie herum passiert. Im Gegenteil. Genau wie im ersten Teil ist der Bösewicht in The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro, in diesem Fall eben Electro (Jamie Foxx), quasi ein Produkt von Spider-Man selbst: es ist seine eigene Überheblichkeit, die Electro und – so viel sei an dieser Stelle verraten – auch all die anderen Gegner erschaffen hat, die noch folgen und sich ihm in den Weg stellen werden. Interessant ist, dass der Film mit den Verweisen auf zukünftige Gegner mit erfrischender und teils ironischer Art und Weise umgeht.
Spider-Man ist nicht nur ein menschlicher Held geworden, sondern sein Tun und Handeln sowie die Welt in der er lebt, sind – wie der Film auch mehrfacht zeigt – in vielerlei Hinsicht unweigerlich mit ihm und seinem Schicksal verbunden. Alles was er macht hat auch eine Konsequenz im Leben und auf seine Umwelt – genau wie bei uns „normalen“ Menschen. Das alles macht ihn auch zu einem tragischen und auch wieder spannenden Helden. Ganz passend und stimmig scheinen daher die immer wieder auftauchenden Szenen, in denen das „everyone can be a hero“ Gefühl thematisiert wird. Er und die Bösewichte sind ein Produkt ihrer Gesellschaft bzw. der Umstände um sie herum.
Aus persönlicher Sicht hätte ich vielleicht weniger Romantik in den Film gepackt, denn es ist gerade diese kleine aber nicht unwesentliche Portion zu viel, die ein bisschen von der dramaturgischen Konsequenz des „gebrochenen Helden“-Images ablenkt. Doch das ist auch Geschmackssache und vielleicht bin ich da zu sehr von dem Bild des düsteren Helden Batman beeinflusst, das sich mir immer wieder aufdrängte und das ich darüber hinaus auch sehr interessant finde. Interessant in dem Sinne, weil es doch immer ein Spiegelbild einer Welt ist, in der alles ein bisschen entmystifiziert ist und die Helden, von denen wir dachten sie wären gut, in sich drin auch dunkle Seiten entdecken.
Vielleicht muss Spider-Man aber auch nicht so ernsthaft daher kommen wie z.B. Bales Batman. Peter Parker ist eben (noch) der junge, ungestüme Held, der mit seiner High-School Liebe zusammen ist und das darf sich auch in seinem Superhelden Alter Ego widerspiegeln. Das, was in The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro passiert und die Tatsache, dass unser Superheld Mitschuld an der Entstehung seiner Gegner hat, werden ihn – würde man dramaturgisch weiterdenken – jedoch fordern, wenn nicht sogar verändern. Es bleibt daher spannend, wie und ob die zukünftigen Filme damit umgehen werden.
Kinostart: 17. April 2014