Ursprünglich gepostet am: 15. April 2015 auf filmosophie.com
Ich schreibe selbst als Filmkritiker, aber über Film schreiben heißt nicht zwangsläufig, dass man das nur im Form einer Kritik oder Rezension machen muss. Dies geht auch aus film- und medienwissenschaftlicher Sicht. In meiner Kolumne “Back To The Film Studies” will ich mich daher aktuellen aber auch nicht aktuellen Filmen, Serien und ganzen Genres widmen und hier einzelne interessante Aspekte aus film- und medienwissenschaftlicher Sichtweise beleuchten und besprechen.
Offen gesagt kann ich nicht sagen, ab wann der Mensch angefangen hat davon zu träumen, eine menschenähnliche Maschine zu erschaffen, die fast nicht mehr von einem echten Menschen zu unterscheiden ist.
Ein interessantes vor-filmisches Beispiel das mir dazu einfällt und das sich genau mit der Mensch-Maschine befasst, ist die Erzählung „Der Sandmann“ von E.T.A Hoffmann aus dem Jahr 1816. Gewiss, aus heutiger Sicht erschüttert die Geschichte um Olimpia niemanden mehr, doch sie offenbart den eigentlichen Kern des ganzen Themas: „Wo ist die Grenze zwischen Mensch und Maschine?“. Und das nicht unbedingt aus technischer Sicht, denn es ist noch einfach zu sehen was Fleisch und Stahl trennt, wirft man einen Blick ins Inner. Bis sich das ändert wir es noch lange dauern. Die Frage die sich hier eigentlich stellt, ist, wann kommt der Moment, in dem Mensch und Maschine nicht mehr von außen zu unterscheiden sind. Wann kommt der Moment, in dem wir im Umgang mit Maschinen oder genauer gesagt mit Androiden nicht mehr sagen können, wer uns da gegenüber steht. Eine Frage, die viele durchaus als Gefahr ansehen.
Die Filmgeschichte zeigt, dass die Roboter schon früh als filmisches Thema auftauchen. Metropolis von Fritz Lang aus dem Jahr 1927 ist wohl eines der prominentesten Beispiele dafür. Das Spannende an Metropolis ist, dass die Handlung um Maria (Brigitte Helm) und die Maschinenfrau sowie die damit verbundene Verwechslung die oben genannte Frage im Kern darstellt, aber eigentlich nicht thematisiert. Die Maschine, die Androidin und die Verwechslung stehen im Mittelpunkt, aber nicht das eigentliche moralische Dilemma, das damit einhergeht.
Ein Film, der sich zum ersten Mal konkret mit diesem Dilemma befasst ist in meinen Augen Blade Runner von Ridley Scott von 1982. Rick Deckards (Harrison Ford) Versuch mit Hilfe des Voigt-Kampff-Tests Androiden oder in diesem Fall Replikanten unter den „Menschen“ aufzuspühren, thematisiert genau dieses Problem. Die Tatsache, dass Deckard den Test braucht, offenbart, dass die erste Grenze zwischen Mensch und Maschine bereits überschritten wurde: Äußerlich sind die Androiden nicht mehr von den Menschen zu unterscheiden, so dass eine rein optische Unterscheidung nicht mehr möglich ist. Deckard muss schon die emotionale Reaktionen als Grundlage nehmen, um Rachael als Androiden zu entlarven.
Zur gleichen Zeit stellt sich im Verlauf des Films auch immer wieder die Fragen, ob Replikanten-Jäger Deckard nicht selbst ein Android ist, der sich seiner maschinenhaften Natur gar nicht bewusst ist. Was wiederum die Eingangsfrage auf die Seite der Androiden verschiebt und sich die weitere Frage stellt, ob die Androiden wissen, dass sie Androiden sind und woran genau sie, die wie im Fall Deckards sicher sind Menschen zu sein, selbst merken, dass sie nicht menschlich sind? Ob Deckard am Ende ein Android ist oder nicht, ist offen – zumindest unterscheidet sich hier die Sichtweise des Films von der von Philip. K. Dicks Buch.
Ein weiteres – auch wenn nicht unbedingt direktes – Beispiel aus der jüngeren Filmgeschichte, das sich mit der Menschlichkeit von Maschinen befasst, ist Chappie von Neill Blomkamp (2015). Im Gegensatz zu den ersten beiden Beispielen, ist klar sichtbar, dass Protagonist Chappie eine Maschine ist. Das Problem der täuschenden Äußerlichkeit, des Aussehens ist somit nicht vorhanden. Doch die Verbindung zum Menschen offenbart sich hier auf einer tiefereren und damit nicht nur intimeren sondern auch vermeintlich bedrohlicheren Ebene: auf der der Gefühle. Solange es noch darum ging, die Androiden zu entlarven und unter ihrer Fassade die Maschinenkomponenten als Beweismittel für ihre „Unmenschlichkeit“ darzulegen, war die vermeitliche Gefahr noch zu bannen. Doch was passiert, wenn ein Android uns auf der menschlichsten Eigenschaft begegnet die es gibt: auf der der Emotionen? Genau hier bewegt sich der Film von Blomkamp, der sogar soweit geht zu fragen, ob es möglich ist zwischen Mensch und Maschine eine „zwischenmenschliche“ Beziehung wie etwa Familie zu etablieren. Selbst wenn die Lösung am Ende des Films ein andere ist und zwar, dass der Mensch zur Maschine wird, verdeutlicht die Thematik doch, wie in Zeiten der in großen Schritten voranschreitenden Robotik, die Frage nach der Menschlichkeit der Maschinen immer präsenter ist.
Nun startet am 23. April Ex Machina von Alex Garland in den deutschen Kinos und geht bei bei dieser Frage sogar noch einen Schritt weiter.
Genau wie in Chappie, macht Regisseur Garland in seinem Film keinen Hehl daraus, dass Ava eine Androidin ist. In diesem Sinne ist der Turing-Test den Caleb (Domhnall Gleeson) durchführen und dazu dienen soll herauszufinden, wie menschlich eine Maschine agieren kann, sinnlos. Er ist insofern sinnlos, weil Caleb schon weiß, dass Ava eine Maschine ist und seine Beurteilung des Turing-Tests dadurch beinflusst ist. Was im Film ein Vorwand ist, knüpft genau an der essentiellen Stellen an, die bereits Blomkamp ausgeführt hat. Was passiert, wenn Androiden (und auch wir Menschen) merken und wissen, dass sie Maschinen sind, aber trotzdem menschliche Gefühle und Instinkte entwickeln? Gefühle und Instinkte die dazu führen, dass man nicht nur Liebe (siehe Chappie) und Sexualität (siehe Ex Machina) empfinden kann, sondern auch ein Bewusstsein für seine eigene Existenz und sein eigenes Recht auf Leben (Chappie und Ex Machina).
Ex Machina geht in dem Sinne weiter als Chappie, weil er auf der Ebene der Emotionen noch eine Stufe tiefer geht und auf das Thema der Sexualität zwischen Mensch und Maschine eingeht. Der Mensch steht somit mit den metaphorisch heruntergelassenen Hosen da und es stellt sich damit unweigerlich die Frage, was passiert, wenn der Mensch sich auf den Androiden einlässt und ihn von sich aus auf die gleiche (emotionale) Ebene hebt wie er selbst.
Ava, die eigentlich im Film nie ganz fertig ist, ist ein gutes Beispiel für das Problem. Die Tatsache, dass sie nie komplett ist und wir als Zuschauer immer wieder vor Augen geführt bekommen, dass sie eine Maschine ist, eliminiert den Faktor des Äußerlichen sofort und wir sind gezwungen auf die „inneren“ Werte zu schauen. Sie ist zur gleichen Zeit ein gutes Beispiel für dieses, vielleicht immer unvollständige hybride Wesen, das sich – wenn vielleicht nur auf metaphorischer Ebene – zu entwickeln scheint: die mechanischen Komponenten deuten unweigerlich auf ihr androides Innere, während die menschlichen Züge auf ihre menschlichen Gefühle verweisen.
Was schlussendlich passieren wird, wird die reale und filmische Zukunft zeigen, doch spannend wird es sicherlich.
Kinostart: 23. April 2015