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[Archiv] Väter und Töchter – Ein ganzes Leben

Ursprünglich gepostet am: 05. Juni 2016 auf filmosophie.com

New York, 1989. Bestsellerautor Jake Davis (Russell Crowe) ist nach dem Unfalltod seiner Frau alleine für seine kleine Tochter Katie (Kylie Rogers) verantwortlich. Doch der Verlust setzt ihm psychisch und physisch stark zu. Als er für eine Weile in einer Klinik behandelt wird, kommt Katie zu ihrer Tante Elizabeth (Diane Kruger) und ihrem Onkel William (Bruce Greenwood), die sich kaum um das Mädchen kümmern, aber bald mit Jake um das Fürsorgerecht streiten. Dabei wäre Katie viel lieber bei ihrem Vater, der trotz seiner Erkrankung alles versucht, seiner geliebten Tochter ein gutes Leben zu bieten. Sein größter Liebesbeweis wird der Roman „Väter und Töchter“ – seit Jahren sein erster Bestseller.

25 Jahre später. Katie (Amanda Seyfried) ist inzwischen ausgebildete Psychologin und Sozialarbeiterin, die sich rührend um ein Waisenmädchen kümmert, das nach dem Tod ihrer Eltern aufgehört hat zu sprechen. Auch Katie hadert noch immer mit ihrer Kindheit. Sie hat Probleme, sich zu binden und ihr Privatleben besteht aus durchfeierten Nächten. Bis sie den charmanten Nachwuchsautor Cameron (Aaron Paul) kennenlernt und zum ersten Mal versucht, sich auf jemanden wirklich einzulassen…

Offen gesagt, ein Blick auf den Plot verrät, dass der Film von Regisseur Gabriele Muccino ein gewisses Tränenpotenzial hat. Und wenn ich mich an die Pressevorführung erinnere, konnte ich in der ansonst eher zurückhaltenden Gruppe der Filmkritiker hin und wieder ein Schluchzen vernehmen. Ja, es fällt durchaus auf, dass dieser Film anders ist als seine Vorgänger. Denn im Gegesatz zu den anderen Filmen von Muccino wie Das Streben nach Glück und Sieben Leben, die eigentlich eher unkitschig daher kommen, greift Väter & Töchter – Ein ganzes Leben ein sehr emotionales und vielleicht auch mit Verklärungspotetial behaftetes Thema auf.
Nach der Sichtung des Films wäre es daher auch durchaus verständlich zu sagen, dass der Film von diesem emotionalen Thema profitiert oder es gar missbraucht, doch das wäre zu einseitig. Ja es gibt sie, diese Kalendersprüche-Momente, die man am liebsten hätte rausgeschnitten. Und das speziell kurz vor dem Ende, wenn der ansonsten sehr unpathetisch iszenierte Film kurz die Zügel schleifen lässt und die bis dahin stringent erzählte Dramaturgielinie verlässt. Es sei Muccino verziehen – auch wenn der Patzer zu einem ungünstigen Moment kommt, denn das Ende des Films bleibt eher im Gedächtnis als andere Momente im Film. Aber im Gegenteil, Muccino schafft es auf interessante Weise dieses emotionale Thema zwar emotional filmisch umzusetzen, dabei aber erfreulich selten nicht in die kitschige Ecke zu driften.

Doch die wahre Stärke des Films liegt im Drehbuch von Brad Desch. In erster Linie sind es die zwei Zeitebenen, Jake Davis und seine Tochter 1989 auf der einen Seite und Katie als Erwachsene auf der anderen Seite, die auf elegante Weise die Geschichte und das wahre Drama der Beziehung zwischen Vater und Tochter darstellen und nur Schritt für Schritt ans Tageslicht führen. Darüber hinaus werden im Verlauf des Films diese beiden beiden Ebenen auf sehr interessante Weise miteinander vereint.
Es ist auch dieses sehr gut geschriebene Drehbuch, dass den Figuren eine sehenswerte Tiefe verleiht und hier besonders den Hautpfiguren. Allen voran die wirklich starke und emotionale Darstellung von Kylie Rogers als junge Katie. Doch auch Amanda Seyfried liefert eine sehenswerte Darstellung als zerissene Persönlichkeit. Und das besonders in den Momenten, in denen man die tiefsitzende Traurigkeit in ihren Augen sieht und sie wie verloren in der Neolicht getränkten Nacht in einer Bar sitzt und einen Mann sucht, um ihren Schmerz zu betäuben.

Am Ende ist die eigentlich Botschaft dieses emotionalens Vater-Töchter Konflikts, und das werden vermutlich die meisten Zuschauer wohl verkennen, aber nicht unbedingt die pathetisierte Beziehung zwischen diesen beiden Familienmitgliedern, sondern vielmehr, dass wir uns nicht vor der Liebe verschließen sollen. Ja, sie schmerzt und wenn sie uns entrissen wird, möchten wir am liebsten nichts mehr von ihr hören. Doch wenn wir uns ihr verschließen und sie nicht zulassen, riskieren wir die Chance die Person zu verpassen, die wirklich zu uns passt.
Das mag zwar nach einer Binsenweisheit klingen, aber es stimmt. Das Problem ist nur – und damit wird wohl auch der Film Probleme haben -, dass wir in einer Welt leben, die ihrer Romantik und auch ihres Tiefgangs beraubt worden ist. Wir sind zu selten dazu bereit uns einfach mal auf das emotionale Gefühl der Romantik einzulassen, denn wir hinterfragen es immer wieder. Dabei vergessen wir, dass Binsenweisheiten, so banal sie auch klingen mögen, am Ende doch ein bisschen mehr Wahrheit in sich haben als wir glauben und eigentlich den tiefen Kern der Sache treffen, den wir eigentlich nicht betrachten wollen. Dabei spricht der Film immer wieder Punkte an, zu denen wir uns aber nicht trauen Fragen zu stellen.

Kinostart: 30. Juni 2016