Ursprünglich gepostet am: 09. Juni 2014 auf filmosophie.com
Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit, wie der Film mit vollem Titel heißt, erzählt die wahre Geschichte des jungen iranischen Tänzers Afshin Ghaffarian (verkörpert von Reece Ritchie), der den politischen Zwängen seiner Heimat und der Mullahs die Stirn bietet und seiner Leidenschaft, dem Tanz, nachgeht. Um seinen Traum zu leben, gründet er zusammen mit anderen Interessierten, darunter auch der begabten Elaheh (Freida Pinto), eine kleine Untergrund-Tanzgruppe. In einem verlassenen Gebäude proben die Tänzer und gehen ihrer Leidenschaft nach. Doch bald wächst besonders in Afshin der Wunsch, das Erlernte vor Publikum zu zeigen. Aber seit Gründung der Islamischen Republik ist das Tanzen in der Öffentlichkeit verboten. Aus diesem Grund entschließt sich die Gruppe, einen Auftritt in der Wüste zu veranstalten, weit weg von den Zugriffen des Regimes. Doch auch hier sind sie nicht sicher und laufen immer wieder Gefahr, diesen legendären Wüsten-Tanz beinahe mit dem Leben zu bezahlen. Vor dem Hintergrund der gewalttätigen Unruhen während der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 entsteht somit eine interessante Biographie über den mutigen Kampf eines jungen Mannes für Freiheit, Selbstbestimmung und Kunst als fundamentales Menschenrecht.
Es gibt Filme, die sind auf eine tragische Art und Weise immer aktuell. So auch dieser hier, denn kurz vor der Pressevorführung schockierte die Nachricht von der Festnahme sechs junger Iraner, die ein Tanzvideo zu dem Hit „Happy“ von Pharrell Williams im Internet veröffentlicht hatten. Zur gleichen Zeit laufen solche Themen Gefahr, bei der Verfilmung eine Portion zu viel Kitsch zu bekommen, was wiederum den eigentlich wichtigen Informationsgehalt und die wichtige Geschichte dahinter verdeckt. So war das auch bei diesem Film stellenweise der Fall. Dazu jedoch später mehr.
Gleich zu Beginn war ich ein bisschen irritiert, dass der Film auf Englisch und nicht wie vermutet auf Persisch lief. Da der Streifen von Richard Raymond, der hiermit sein Regiedebut gab, eine britische Produktion ist, ist diese Entscheidung durchaus nachvollziehbar und verständlich. Aber selbst wenn die entweder in Großbritannien oder in den USA leben Schauspieler mit fast durchgängig arabischen Wurzeln perfektes Englisch sprachen, verlieh diese Sprachwahl dem Film eine gewisse Künstlichkeit und leider auch Distanz zur Dramatik der Geschichte und der darin geschilderten Ereignisse. Was wohl auch daran liegt, dass das Werk somit einen Blick von „außen“ auf das Land wirft und nicht aus ihm selbst heraus spricht, nicht ein Teil des Landes ist. Es fehlt daher dieses Klima der Beklemmung wie zum Beispiel in The Green Wave, das sonst den Ernst und die Dramatik der Lage untermauert. Die Tatsache, dass dies bei Wüstentänzer fehlt, liegt aber auch am brisanten Thema und der Tatsache, dass der echte Afshin Ghaffarian im französischen Exil lebt und es gar nicht möglich wäre, den Film im Iran selbst zu drehen.
Wie schon erwähnt, verdecken Kitsch und die obligatorische Liebesgeschichte oft die eigentliche Botschaft des Films. Ich kann an dieser Stelle nicht sagen, wie viel von der Romanze zwischen Afshin und Elaheh in Wüstentänzer der Wahrheit entspricht und ich möchte auch nicht behaupten, dass diese nicht ihre Berechtigung hätte. Doch man merkt dem Film stellenweise an, wie sehr er zwischen der Liebesgeschichte und der eigentlichen Botschaft des Films hin und her gerissen ist. Aber auch wenn sich ein bisschen Kitsch nicht vermeiden lässt – gerade gegen Ende des Films –, schafft es Regisseur Raymond glücklicherweise immer wieder, die Kurve zu kriegen. Die Stärke von Wüstentänzer ist auch nicht unbedingt die Umsetzung der Geschichte, sondern die sehenswerte Darstellung der Tänze von Ritchie und Pinto, oder genauer gesagt der von Akram Khan choreografierte und von Kameramann Carlos Catalán gefilmte Wüstentanz, der aus dramaturgischer Sicht ein zentrales Element ist und auch in Sachen Inszenierung und Umsetzung sehr interessant gelöst wird.
Der Film ist, trotz seiner kleinen Schwächen, ein interessanter Blick auf das Schicksal von Menschen, die nur ihrem Drang nach freier Entfaltung und Freiheit nachgehen. Zwar erzählt er im Kern die nicht so bekannte und bewegende Geschichte der Flucht von Afshin Ghaffarian und rückt ihn damit in den Mittelpunkt des Geschehens, doch im Endeffekt ist genau diese Geschichte beispielhaft, nur eines von vielen Schicksalen und erinnert daran, wie viele Menschen im Iran ihr Leben noch nicht frei leben können. Am Ende vermute ich jedoch, dass Wüstentänzer nicht unbedingt in den großen Kinos zu sehen sein wird und somit seine Botschaft nur eingeschränkt verbreiten kann.
Kinostart: 3. Juli 2014